Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrzeugkaufvertrag: Schadenersatzanspruch aufgrund behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist noch über 5 Jahre nach der Aufdeckung des Dieselskandals in sämtlichen Modellen mit dem Motor EA 288 nach umfassenden Untersuchungen keine einzige unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden, genügt als Anhaltspunkt für eine Manipulation nicht einfach eine konträr zu diesem Untersuchungsergebnis stehende klägerische Behauptung. (Rn. 5)

2. Eine Prüfzykluserkennung ist nur unzulässig, wenn sie dazu genutzt wird, Emissionen auf dem Prüfstand so zu reduzieren, dass ausschließlich dort die Grenzwerte eingehalten werden. (Rn. 12)

3. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt voraus, dass bei der Entwicklung und/oder Verwendung einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems unter billigender Inkaufnahme eines Gesetzesverstoßes in dem Bewusstsein gehandelt wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. (Rn. 17)

 

Normenkette

BGB § 826; EGV 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.02.2021; Aktenzeichen 2-14 O 332/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. Februar 2021 (Az.: 2-14 O 332/20) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 15.835,14 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Abfassung eines Tatbestandes unterbleibt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil ist unzweifelhaft nicht zulässig. Die Revision wurde nicht zugelassen. Für eine Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert der mit der Revision von der jeweiligen Partei geltend zu machenden Beschwer gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu gering.

II 1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

a) Ein Anspruch aus § 826 BGB steht dem Kläger nicht zu. Nach dem Vortrag der Parteien ist keine Manipulation des Motors festzustellen. Insbesondere ist auch das durch den Kläger beantragte Sachverständigengutachten nicht einzuholen, weil er nur rein spekulativ und insbesondere im Hinblick auf den substantiierten Gegenvortrag der Beklagten sowie auf die sich aus den Auskünften des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) aus dem März und dem Dezember 2020 ergebenden Erkenntnisse nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat. Greifbare Anhaltspunkte für den klägerischen Vortrag fehlen in Ermangelung von konkreten Anknüpfungstatsachen völlig (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 4 U 171/18 -, Rn. 51 und 59 m.w.N., zitiert nach juris).

Zu berücksichtigen ist insoweit insbesondere, dass das KBA für den Motor EA 288 bis heute keinen einzigen Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung angeordnet hat. Dies steht bereits aufgrund seiner Auskunft aus dem März 2020 (Anlage B3) fest, ergibt sich aber überdies besonders deutlich aus seiner Auskunft aus dem Dezember 2020 gegenüber dem Landgericht Bayreuth (Anlage B6), wonach im Rahmen der "sehr umfassende[n] Untersuchungen" des KBA "bei keinem Fahrzeug" mit dem Motor EA 288 eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde.

Zwar ist das Vorliegen einer Manipulation nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil es noch nicht zu Rückrufen gekommen ist. Wenn aber wie vorliegend noch über fünf Jahre nach der Aufdeckung des Dieselskandals in sämtlichen Modellen mit dem Motor EA 288 nach umfassenden Untersuchungen keine einzige unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde (vgl. OLG Frankfurt am Main, a.a.O., Rn. 45), genügt als Anhaltspunkt für eine Manipulation nicht einfach eine konträr zu diesem Untersuchungsergebnis stehende klägerische Behauptung. Vielmehr müsste ein konkreter Umstand vorgetragen werden, aus dem sich jedenfalls die nicht nur theoretische Möglichkeit ableiten lässt, das Untersuchungsergebnis sei unzutreffend und das Fahrzeug manipuliert. Solche konkreten Umstände enthält der klägerische Vortrag, der im Wesentlichen die im Motor EA 189 verbaute Manipulation darstellt und eine Übertragbarkeit auf den streitgegenständlichen Motor behauptet, nicht.

Zwar hat das Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln, Urteil vom 20. November 2020 - 19 U 22/20 -, zitiert nach juris) einen bei oberflächlicher Betrachtung ähnlichen Fall an das Landgericht zurückverwiesen, weil kein Vortrag "ins Blaue hinein" vorgelegen haben soll. Als hinreichende Anhaltspunkte wurden dort durch Recherchen des S. im September 2019 aufgedeckte angebliche Ungereimtheiten angesehen. Die ursprüngliche Einschätzung, es sei beim Motor EA 288 nicht zu Manipulationen gekommen, kö...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge