Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückerstattung von verlorenen Glücksspieleinsätzen im Online-Glückspiel von Beklagter mit Sitz in Malta
Normenkette
BGB §§ 134, 812, 817; GlüStV § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.10.2022; Aktenzeichen 2-07 O 431/20) |
Tenor
Der Beschluss ist in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29.12.2023 dargestellt.
Die Berufungen gegen das am 29.07.2022 und das am 21.10.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 7. Zivilkammer, werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 77.867,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückerstattung von verlorenen Glücksspieleinsätzen des Klägers im Online-Glücksspiel der Beklagten.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Malta. Sie veranstaltet Online-Glücksspiele, u.a. unter ihrer Internet-Domain www.(...).de Im streitgegenständlichen Zeitraum verfügte sie nicht über eine Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen im Bundesland Hessen.
Die Beklagte nutzte deutschsprachige AGB, in denen es u.a. heißt:
"[...] Sie dürfen die Services nur dann nutzen, wenn Ihnen diese Nutzungsart laut geltendem Recht in jenem Land, von dem aus Sie die Services nutzen, erlaubt ist. [...]"
Der in Stadt1 wohnhafte Kläger nahm vom 14.03.2017 bis 19.09.2020 über diese Internetseite an Online-Glücksspielen (Casino-Spielen) teil. In diesem Zeitraum hat der Kläger Verluste in Höhe von insgesamt 77.867,89 EUR (vgl. Aufstellung Bl. 332 d.A.) erlitten.
Mit der Klage hat der Kläger zunächst einen Betrag von 64.874,55 EUR geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 10.03.2022 (Bl. 279ff. d.A.) hat der Kläger die Klage erweitert und hat sodann einen Betrag von 77.076,89 EUR geltend gemacht, da ihm zwischenzeitlich eine aktualisierte Spiel- und Verlustübersicht der Beklagten übermittelt worden sei. Daraus ergebe sich ein höherer Verlust des Klägers (Anlage K 28, Anlagenband). Mit Schriftsatz vom 07.06.2022 hat der Kläger die Klage nochmals um weitere 791,00 EUR erweitert und hat dann 76.867,89 EUR geltend gemacht (Bl. 309ff. d.A.).
Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 392 ff. d.A.) unter Einbeziehung der Tatbestandsberichtigung vom 12.09.2022 (Bl. 400a ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.07.2022 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger von der Beklagten die begehrte Zahlung gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Var. 818 Abs. 2 BGB verlangen könne. Die Beklagte habe die Spieleinsätze ohne rechtlichen Grund erlangt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV als dem entgegenstehenden Verbotsgesetz gewesen sei. Nach dem GlüStV sei das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Casino-Glücksspiele im Internet verboten gewesen. Das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei für die Zeit, in der die hier gegenständlichen Einsätze getätigt worden seien, geltendes Recht. Insbesondere sei die Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV nicht europarechtswidrig und stehe auch mit dem Verfassungsrecht im Einklang. Dazu nimmt das Landgericht Bezug auf das Urteil des OLG Köln vom 10.05.2019, I-6 U 196/18, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 160, 193 - Internetverbot für drei Glücksspielarten) und die Entscheidung des BGH (Urteil vom 28.09.2011, I ZR 93/10, juris) Bezug. § 4 Abs. 4 GIüStV 2011 verstoße nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Zwar schränke das Glücksspielinternetverbot die Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern mit Sitz in anderen Mitgliedsstaaten in Deutschland ein, allerdings sei es Sache des jeweiligen Mitgliedsstaats das nationale Schutzniveau für Glücksspiele selbst zu bestimmen und die erforderlichen Maßnahmen selbst zu beurteilen. Dafür bestehe ein ausreichendes Ermessen. Es liege auch kein Verstoß gegen das Kohärenzgebot vor. Die Regelung trage systematisch zur Begrenzung des Glückspielangebots und Lenkung der Wettleidenschaft sowie des Jugend- und Spielerschutzes bei. Jedenfalls hätte sich die Beklagten um eine Erlaubnis bemühen müssen. Der Glücksspielstaatsvertrag und die Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV seien auch verfassungskonform. Sie seien innerhalb der Gesetzgebungskompetenzen ergangen und der Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG sei durch die überragend wichtigen Gemeinwohlziele gerechtfertigt. Der Anspruch sei auch nicht nach § ...