Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Einsätzen bei Online-Glückspielen
Normenkette
BGB §§ 134, 812; GlüStV 2012 Art. 4
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 17.11.2022; Aktenzeichen 9 O 1027/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.11.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau, 9. Zivilkammer, abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.370,40 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.7.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Glückspieleinsätzen bei von der Beklagten angebotenen Online-Glückspielen in der Zeit vom 30.3.2019 bis zum 18.12.2020 in Höhe von 23.370,40 EUR (eingesetzter Betrag abzüglich erhaltener Gewinnausschüttungen) in Anspruch.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Malta. Sie veranstaltet Online-Glücksspiele, u.a. unter ihren deutschsprachigen Internet-Domains www.(...).de und www.(...).de. Der Kläger nahm vom 30.19.2019 bis 18.12.2020 über diese Internetseiten an Online-Glücksspielen (Casino-Spielen) der Beklagten unter dem Benutzernamen "X" von seinem Wohnort in Hessen aus teil. In diesem Zeitraum erfolgten (ohne Berücksichtigung von Umsätzen aus Online-Sportwetten des Klägers, die nicht Gegenstand der Klage sind) Einzahlungen in Höhe von 31.710,- EUR und Auszahlungen von 6.955,60 EUR. Abzüglich noch eines für Sportwetten eingesetzten Betrages von 1.744,- EUR ergibt sich der mit Klage geltend gemachte Betrag von 23.370,40 EUR.
Die Beklagte verfügt über eine Glücksspiellizenz in Malta, die dort auch überwacht wird. Sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über eine von der hessischen Zentralstelle nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag erteilte Erlaubnis. Glückspiele im Internet waren in jenem Zeitraum auch generell nicht erlaubnisfähig, weil sie nach § 4 Abs. 4 des Staatsvertrages zum Glückspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) bis zum 30.6.2021 gültigen Fassung vom 15.12.2011 (im Folgenden: GlüStV 2012) verboten waren.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand es landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV hat es abgelehnt, weil die genannte Bestimmung des GlüStV kein Schutzgesetz darstelle. Einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot hat es als nicht begründet erachtet, weil eine Rückforderung jedenfalls nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Der Kläger habe (seinerseits) gegen § 285 StGB verstoßen. Der Kläger, den das Landgericht persönlich angehört hat, habe sich leichtfertig dem Gesetzesverstoß verschlossen. Die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB sei auch nicht nach dem Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV teleologisch zu reduzieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageanspruch weiterverfolgt.
Der Kläger betont eingangs, dass er davon ausgegangen sei, dass es sich um legales Glücksspiel gehandelt habe.
Hinsichtlich eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB rügt der Kläger zunächst, dass das Landgericht die hier nicht einschlägige Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 geprüft habe. Maßgebliches Schutzgesetz sei jedoch § 4 Abs. 4 GlüStV 2012. Dieses Verbot diene nach den in § 1 GlüStV 2012 genannten Zwecken der Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht, dem Spieler- und Jugendschutz und vor betrügerischen Machenschaften und gerade auch dem Spieler vor den Gefahren des Glückspiels. Dies werde auch in den Gesetzesmaterialien angesprochen (näher Berufungsbegründung S. 33 f. = Bl. 605 f. d.A.).
Daneben sei der Klageanspruch auch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. i.V.m. § 134 BGB begründet. Der dahingehende Anspruch sei nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Es fehle schon an einem leichtfertigen Verschließen gegenüber dem Verstoß. Ein solches könne bei unklarer Rechtslage nicht angenommen werden. Die Kenntnis des § 4 Abs. 4 GlüStV könne nicht generell vorausgesetzt werden. Es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich mit ihrem deutschsprachigen Angebot an potentielle Kunden (hier) richte. Die vom Landgericht herangezogene Klausel in den AGB-Klauseln weise gerade nicht darauf hin, dass das Online-Spielangebot der Beklagten in Deutschland nur in Schleswig-Holstein erlaubt sei. Die von der Beklagten vorgelegte Berichterstattung (Anlage B 3) belege nicht eine leicht mögliche Kenntnis von der Illegalität. Im Gegenteil ergebe sich...