Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Online-Glückspielverlusten
Normenkette
BGB §§ 134, 812; GlüStV 2012 § 4
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 02.08.2022; Aktenzeichen 4 O 472/21) |
Tenor
Die Berufung gegen das am 02.08.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn, 4. Zivilkammer, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 53.782,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückerstattung von verlorenen Glücksspieleinsätzen des Klägers im Online-Glücksspiel der Beklagten.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Malta. Sie veranstaltet Online-Glücksspiele, u.a. unter ihrer deutschsprachigen Internet-Domain www(...).de. Der Kläger nahm vom 26.01.2018 bis 27.12.2019 über diese Internet-Domain an Online-Glücksspielen (Casino-Spielen) der Beklagten unter dem Benutzernamen "A" von seinem Wohnort in Hessen aus teil. In diesem Zeitraum erfolgten (ohne Berücksichtigung von Umsätzen aus Online-Sportwetten des Klägers, die nicht Gegenstand der Klage sind) Einzahlungen in Höhe von 73.118,68 EUR und Auszahlungen von 19.335,83 EUR, so dass sich eine mit der Klage geltend gemachte Differenz von 53.782,85 EUR ergibt.
Die Beklagte verfügt über eine Glücksspiellizenz in Malta, die dort auch überwacht wird. Sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum aber nicht über eine von der hessischen Zentralstelle nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag erteilte Erlaubnis.
Die Beklagte nutzte deutschsprachige AGB, in denen es u.a. heißt:
"Möglicherweise ist der Zugriff auf die Internetseite einigen oder allen Einwohnern bestimmter Länder oder sich in diesen Ländern aufhaltenden Personen verboten. Wir beabsichtigen nicht, dass die Internetseite von Personen, die in Ländern leben, in denen die Services verboten sind, genutzt wird. Sie dürfen die Services nur dann nutzen, wenn Ihnen diese Nutzungsart laut geltendem Recht in jenem Land, von dem aus Sie die Services nutzen, erlaubt ist. Wir gewähren keine rechtliche Beratung oder Zusicherung. Es liegt in Ihrer eigenen Verantwortung, jederzeit die für Sie geltenden rechtlichen Bestimmungen einzuhalten und sicherzustellen, dass sie gesetzlich uneingeschränkt dazu berechtigt sind, die Services zu nutzen."
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.03.2020 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 06.04.2020 auf, einen Betrag i.H.v. 40.000 EUR "aus zu Unrecht vereinnahmten" Online-Glücksspielerlösen an den Kläger zu zahlen. Die Frist verstrich fruchtlos.
Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung vollumfänglich und hinsichtlich der Zinsen teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger von der Beklagten die begehrte Zahlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Var. BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 Glücksspiel-Staatsvertrag (GlüStV) verlangen könne. Die Kammer mache sich die vom OLG Frankfurt in gleich gelagerten Fällen gegebene Begründung aus den Hinweisbeschlüssen vom 08.04.2022 und 05.05.2022 (Az. 23 U 55/21 und 19 U 281/21, Bl. 509ff. d.A.) zu eigen. Der Kläger habe seine Spieleinsätze bei der Beklagten ohne rechtlichen Grund erbracht, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV als dem entgegenstehenden Verbotsgesetz war. Danach war das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Casino-Glücksspiele im Internet verboten. Das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei für die Zeit, in der die hier gegenständlichen Einsätze getätigt worden seien, geltendes Recht, das weder durch Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, noch des Bundesverfassungsgerichts, noch des EuGH außer Kraft gesetzt oder für nichtig erklärt worden sei. § 4 Abs. 4 GIüStV 2011 verstoße nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Zwar schränke das Glücksspielinternetverbot die Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern mit Sitz in anderen Mitgliedsstaaten in Deutschland ein, allerdings sei es Sache des jeweiligen Mitgliedsstaats das nationale Schutzniveau für Glücksspiele selbst zu bestimmen und die erforderlichen Maßnahmen selbst zu beurteilen. Dafür bestehe ein ausreichendes Ermessen. Es liege auch kein Verstoß gegen das Kohärenzgebot vor. Regelungen im Monopolbereich müssten an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein. Der Gesetzgeber habe mit der Novelli...