Leitsatz (amtlich)
Beschließt die Gesellschafterversammlung einer GmbH nach Abberufung eines von zwei Geschäftsführern die ordentliche Kündigung seines Anstellungsverhältnisses, so kann nicht ohne weiteres von der schlüssigen Erteilung einer Vollmacht zur Abgabe der Kündigungserklärung an den verbleibenden Geschäftsführer ausgegangen werden.
Normenkette
GmbHG §§ 35, 46
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 20 O 409/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt mit dem Sitz in Offenbach am Main vom 29.6.2005 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Dienstverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28.9.2004 beendet wurde.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.330,83 EUR nebst Jahreszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten der zweiten Instanz sind vom Kläger zu 18 %, vom der Beklagten zu 82 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1. Der Kläger war zum 1.2.1998 zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt worden. Am 27.7.1998 schlossen die Parteien - die Beklagte vertreten durch ihre Gesellschafter - einen von ihnen als "Geschäftsführervertrag" bezeichneten Anstellungsvertrag.
Am 23.9.2004 hielt die Beklagte unter Beteiligung zunächst aller Gesellschafter - einer von ihnen: der Kläger - eine Gesellschafterversammlung ab. In deren Verlauf wurde einstimmig die Abberufung des Klägers aus dem Amt des Geschäftsführers beschlossen. Im weiteren Verlauf der Versammlung - der Kläger hatte sie mittlerweile verlassen - beschlossen die verbliebenen Gesellschafter, das "gegenwärtige Beschäftigungsverhältnis ... gegen das Angebot eines neuen Beschäftigungsverhältnisses" zu kündigen und hielten weiter fest, "die Gesellschafter haben mit 100 % der anwesenden Stimmen für die ordnungsgemäße Kündigung ... abgestimmt". Mit Schreiben vom 28.9.2004 erklärte der nunmehr alleinige Geschäftsführer, das "bestehende Beschäftigungsverhältnis ... (werde) hiermit fristgerecht zum 31.12.2004 gekündigt"; eine ausdrückliche Ermächtigung war ihm hierzu - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig wurde - nicht erteilt worden.
Der Kläger erschien in der Folgezeit nicht mehr zum Dienst; er meldete sich krank und reichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.
Mit Schreiben seines Anwalts vom 5.11.2004 kündigte der Kläger "die Gesellschaft und das Gesellschaftsverhältnis ... fristlos, hilfsweise fristgemäß". Er legte der Beklagten gleichzeitig den Entwurf eines "Zwischenzeugnisses" vor, in welchem u.a. festgehalten war, "Hr. A scheidet am 31.12.2004 aus unserem Unternehmen aus".
Die Beklagte antwortete mit anwaltlichem Schreiben vom 15.11.2004; sie erteilte dem Kläger Hausverbot.
Der Kläger hat die Feststellung dessen begehrt, dass das Beschäftigungsverhältnis unbeschadet der Kündigung vom 28.9.2004 über den 31.12.2004 hinaus weiter be-stehe; er hat weiterhin Auszahlung des - unstreitig zuletzt mit 7.800 EUR monatlich bemessenen, von Seiten der Beklagten aber in den Monaten Oktober bis Dezember 2004 nur i.H.v. insgesamt 3.900 EUR gezahlten - Gehalts einschließlich Weihnachtsgeldes beansprucht; schließlich hat er die Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Arbeitszeugnisses verlangt.
Das LG hat festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis nicht durch die Kündigung beendet worden sei, und es hat die Beklagte zur Zahlung restlichen Gehalts i.H.v. 12.646,96 EUR verurteilt. Wegen der von ihm gefundenen Gründe sowie der tatbestandlichen Einzelheiten wird auf das Urt. v. 29.6.2005 verwiesen.
Mit der Berufung trägt die Beklagte vor, die ohne entsprechende Ermächtigung der Gesellschafterversammlung ausgesprochene Kündigung sei wirksam, da sie nicht unverzüglich zurückgewiesen worden sei. Die Gesellschafterversammlung habe das Gehalt des Klägers durch - unstreitig am 23.9.2004 gefassten - Mehrheitsbeschluss gekürzt. Der Kläger habe seinen Gehaltsanspruch auch verwirkt, weil er - wie unstreitig ist - zum 2.1.2005 ein Konkurrenzunternehmen eröffnet habe.
Die Beklagte - welche eine in erster Instanz mit Ansprüchen auf Ausgleich von ihr gezahlter Leasingraten für den Privatwagen des Klägers erklärte Aufrechnung in zweiter Instanz auf weitere mittlerweile angefallene Raten erstreckt - beantragt, das Urteil des LG Darmstadt vom 29.6.2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, am 23.9.2004 sei die Kündigung des Dienstverhältnisses gegen das Angebot eines neuen Beschäftigungsverhält...