Leitsatz (amtlich)

Hat ein Automobilhersteller das In-Kraft-Treten der EG-GVO Nr. 1400/2002 zum Anlass genommen, die Vertragshändlerverträge über den Neuwagenvertrieb zu kündigen und einem Teil der bisherigen Vertragshändler neue Verträge anzubieten, die nicht nur der Anpassung an die neue GVO, sondern auch der Umsetzung eines neuen Vertriebssystems, u.a. mit neuen Vorschriften über Margen, Boni und Prämien, über die verbindliche Vorgabe neuer Standards und über neue Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten, dienen, so geht einem Vertragshändler, der das neue Vertragsangebot nicht annimmt, nicht in analoger Anwendung des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB der Ausgleichsanspruch verloren.

 

Normenkette

HGB § 89b Abs. 3 Nr. 1; ZPO § 304

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 3-13 O 138/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 25.5.2005 - Az.: 3/13 O 138/04 - aufgehoben.

Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Wegen des Betragsverfahrens wird der Rechtsstreit an das LG Frankfurt/M. zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden hat.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als ehemalige Vertragshändlerin der Beklagten Ausgleichsansprüche entsprechend § 89b HGB geltend.

Die Klägerin war Vertragshändlerin der Beklagten, zuletzt auf der Basis eines Händlervertrages für Vertrieb und Service aus dem Jahre 1997 (Mustervertrag Anlage B 1). Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die A. GmbH & Co. (nachfolgend A. & Co KG), deren Geschäftsführer a A. zugleich Geschäftsführer der Klägerin war.

Die Klägerin unterhielt mit Zustimmung der Beklagten vom 5.7.1999 (Bl. 19-21 d.A.) seit 1.7.1999 einen Zweigbetrieb in O1 und O2, dessen Rechtsträger die B. GmbH & Co KG war. Ferner unterhielt die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten vom 19.9.2002 (Bl. 22-24 d.A.) seit 26.9.2002 einen Zweigbetrieb in O3 unter der Bezeichnung Xbetrieb O3. Geschäftszweig der Klägerin war außer dem Handel mit Neufahrzeugen ein Handel mit X-Ersatzteilen, die sie an andere X-Händler und Xwerkstätten verkaufte, für den kein gesonderter Vertrag mit der Beklagten bestand. Weiterhin bestand zwischen den Parteien seit 1991 ein Agenturvertrag für den Verkauf fabrikneuer X-Fahrzeuge an Bundes- und Landesbehörden (Bl. 226 d.A.). Weiterhin betrieb die Klägerin einen Handel mit X-Nutzfahrzeugen.

Mit Schreiben vom 20.3.2002 kündigte die Beklagte den Händlervertrag ordentlich zum 30.9.2003, u.a. unter Hinweis auf die voraussichtlichen Änderungen der Gruppenfreistellungsverordnung für die Automobilindustrie (GVO). In diesem Schreiben kündigte die Beklagte ferner an, dass sie ihr Vertriebsnetz neu strukturieren wolle, wobei sie auf eine Neuausrichtung des Margensystems, die Änderung der Grundlagen für das Geschäft mit Großkunden und Gewerbetreibenden sowie die Neudefinition künftiger Standards abziele. Weiterhin erklärte die Beklagte, sie möchte nach dem Ergebnis ihrer Neustrukturierung der Klägerin gerne die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses anbieten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen (Bl. 25-27 d.A.).

Zumindest etwa 4 Wochen vor Ablauf der Kündigungsfrist erschien ein Mitarbeiter der Beklagten bei der Klägerin mit der Ankündigung, der neue Vertrag könne jetzt unterschrieben werden. In der Zeit zuvor war zwischen der Beklagten und der Händlerorganisation der X-Händler über die Modalitäten des neuen Vertrages diskutiert worden. Seit Ende Juli/Anfang August 2003 standen Vertragstexte im sog. X-Partner-Net zur Einsicht für alle X-Händler.

Dies A. & Co. KG entschied jedoch, dass die Klägerin keinen neuen Händlervertrag abschließen solle.

Mit Schreiben vom 27.8.2003 (Anlage B 2) bewarb sich die C. GmbH (nachfolgend: C GmbH) bei der Beklagten um den Abschluss eines X-Service-Vertrages. Zu dieser Zeit wurde diese GmbH - wie die Klägerin - zu 100 % von der A. & Co KG gehalten. Mit getrennten notariellen Verträgen vom 10.9.2003 (Anlagen B 4-B 6) wurde das Stammkapital der C GmbH verschmolzen und auf 153.387,56 EUR umgestellt. Die A. & Co KG trat ihre Geschäftsanteile an der C. GmbH an den Sohn ihres geschäftsführenden Gesellschafters, Herrn B.A., zum Preis von 1 EUR ab. B.A. erhöhte das Stammkapital auf 400.000 EUR. Ebenfalls am 10.9.2003 schlossen die A. & Co. KG und B.A. einen notariell beurkundeten Treuhandvertrag über den Geschäftsanteil der Fa. C. GmbH ab. In diesem Vertrag erklärte B.A., mit der O.A. & Co KG darüber einig zu sein, dass er beim Halten des Geschäftsanteils von 400.000 EUR an der C. GmbH nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber als Treuhänder der Fa. A. & Co KG auf deren Gefahr und für deren Rechnung handele. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 386-390 d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 10.9.2003 bewarb sich die C. GmbH bei der Beklagten um den Abschluss eines Vertriebsvertrags für Neufahrzeuge sowie einen Vertrag als X-Service-Partner (Anlage B 8). Die...

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