Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß gegen Marktverhaltensregelung § 9 GOZ bei Anpreisung eines Gewinnanteils für Leistungen eines Praxislabors (CEREC)

 

Leitsatz (amtlich)

Ein kalkulatorischer Gewinnanteil für zahntechnische Leistungen eines vom Zahnarzt selbst betriebenen Praxislabors wird durch § 9 GOZ nicht ausgeschlossen. Eine Werbung für ein System zur Restauration von Zahndefekten mit Gewinnmarge kann daher keine Fehlvorstellung beim angesprochenen Verkehr erzeugen.

 

Normenkette

GOZ § 9; UWG §§ 3a, 5

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 15.03.2021; Aktenzeichen 18 O 33/20)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.07.2023; Aktenzeichen I ZR 60/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.3.2021 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über angeblich unlautere Werbeangaben im Zusammenhang mit der Abrechnung zahntechnischer Leistungen durch Zahnärzte.

Die Beklagte vertreibt ein CAD/CAM-gestütztes System mit dem Namen "CEREC", das u.a. von Zahnärzten für die Restauration von Zahndefekten angewendet werden kann. Das System umfasst eine Oralkamera, einen PC und eine CNC-Fräsmaschine. Es stellt für Zahnärzte eine Alternative zu der herkömmlichen Herstellung von Zahnersatz unter Einschaltung eines externen Dentallabores dar.

Das CAD/CAM-System von CEREC dient ausschließlich zur Herstellung zahntechnischer Leistungen, die nicht Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sind.

Die Beklagte wirbt für ihr CEREC-System mit einer Broschüre "Abrechnungs-Spicker für CEREC-Restaurationen" (Anlage K3). Die Broschüre ist auf der Internetseite der Beklagten www.(...).com frei zum Download abrufbar. Sie ist mit der ergänzenden Überschrift "Informationen für den autorisierten CEREC-Fachhändler" versehen.

Im Vorwort (S. 3) heißt es u.a.:

"Neben den zahnärztlichen Leistungen regelt § 9 der GOZ die individuelle Kalkulation der Laborkosten und erlaubt abweichend von dem BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten. Hier entstehen Zahnärzten Freiräume für patientenindividuelle Lösungen".

Die Broschüre enthält auf den Seiten 9 - 71 Darstellungen von Praxisfällen und ein Beispiel für eine Laborpreiskalkulation. Dabei werden Material- und Laborkostenrechnungen, welche die Kosten für die mit dem CEREC-System erbrachten zahntechnischen Leistungen enthalten, jeweils den Rechnungen eines externen Dentallabors gegenübergestellt (z.B. S. 16/17, S. 28/29). Die Rechnungen, die die mit dem CEREC-System erbrachte Leistungen beinhalten, sind jeweils höher als die Vergleichsrechnungen.

Unter der Überschrift "Die Berechnung der zahntechnischen Leistungen in der GOZ" wird auf S. 86 darauf hingewiesen, dass die Berechnung zahntechnischer Leistungen auf Grundlage einer praxis- oder laborindividuellen und betriebswirtschaftlichen Kalkulation erfolge.

Die Beklagte wirbt für ihr CEREC-System außerdem mit einer Broschüre "Arbeitspapier für Steuerberater zwecks Investitionsplanung" (Anlage K5). Die Broschüre ist auf der Internetseite der Beklagten www.(...).com frei zum Download abrufbar und richtet sich an Steuerberater, die Zahnärzte bei der potentiellen Anschaffung des CEREC-Systems der Beklagten beraten.

Auf Seite 2 heißt es wie folgt:

"... Als Steuerberater leisten Sie mit der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise eines zahnärztlichen Investitionsvorhabens einen wesentlichen Beitrag zur Entscheidungsfindung des Zahnarztes. ..."

"... Mit CEREC wandelt der Zahnarzt Fremdlaborkosten in Eigenlaborgewinn um."

Unter der Rubrik "Leasing" auf Seite 7 heißt es wie folgt:

"Die Berechnung der Wirtschaftlichkeit eines CAD/CAM-Systems scheint auf den ersten Blick einfach. Legt man eine Leasingrate für ein solches Gerät in Höhe von 1.543,40 EUR zugrunde und wird dem Patienten für die Krone 270 EUR Laborkostenanteil zusätzlich zum Honorar in Rechnung gestellt, so verbleiben nach Abzug des Verbrauchsmaterials von 25,50 EUR (inkl. Strom) 244,50 EUR. Bei dieser 'Kalkulation' rechnet sich die Investitionen schon ab 6 Restaurationen. Die Wirklichkeit stellt sich komplexer dar.

Einzubeziehen ist, ob sich die Arbeitszeit des von Ihnen betreuten Zahnarztes durch den Einsatz von CEREC erhöht oder senkt und welche Kosten pro Behandlungsstunde er hat."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K3 und K5 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte erwecke mit den angegriffenen Werbeaussagen gegenüber Zahnärzten und deren Beratern den unzutreffenden Eindruck, sie könnten das CEREC-System zur Gewinnsteigerung nu...

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