Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch gegen ehemaligen Mitarbeiter auf Unterlassung von Buchveröffentlichung
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.08.2021; Aktenzeichen 2-03 O 246/21) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 19.8.2021 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ. 2-03 O 246/21) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (nachfolgend auch: "Antragstellerin"), eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Stadt1, die das deutschsprachige Programmangebot des Fernsehsenders "Russischer Sender" betreibt, wendet sich im hiesigen Eilverfahren gegen den Verfügungsbeklagten (nachfolgend auch: "Antragsgegner"), einen früher bei ihr angestellten Redakteur bzw. Reporter, der am 06.03.2021 das von ihm verfasste und herausgegebene streitgegenständliche Buch mit dem Titel "Titel1" (Anlage MK4, GA 93 ff.) veröffentlichte.
Die Antragstellerin wendet sich im hiesigen Eilverfahren gegen das Zugänglichmachen und Vervielfältigen des Buchs insgesamt (Antrag I). Sie ist der Auffassung, der Antragsgegner sei aus dem Arbeitsvertrag sowie wegen Verletzung ihres Unternehmerpersönlichkeitsrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der herabgesetzten Mitarbeiter zur Unterlassung verpflichtet. Er verletze zudem das Redaktionsgeheimnis und damit die Pressefreiheit. Durch die Veröffentlichung des Buches sei außerdem das ihr nach dem Arbeitsvertrag zustehende urheberrechtliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an dem Buch als Arbeitsergebnis verletzt.
Sie begehrt zudem die Untersagung von insgesamt 74 in dem Buch getätigten Einzelaussagen (Antrag II.1). Sie ist der Auffassung, hierbei handele es sich überwiegend um unwahre Tatsachenbehauptungen, deren Richtigkeit der Antragsgegner zu beweisen habe. Soweit es sich um falsche Zitate von Mitarbeitern handele, könne sie deren Ansprüche bereits aufgrund der Schutz- und Fürsorgepflicht aus eigenem Recht verfolgen. Die im Buch enthaltenen Informationen seien zudem aus dem Kontext gerissen und bewusst irreführend. Zum Teil seien die dortigen Ausführungen als unzulässige Verdachtsberichterstattung rechtswidrig.
Dem Antragsgegner soll zudem die Wiedergabe von 11 im Buch abgedruckten Screenshots untersagt werden (Antrag II.2). Die Wiedergabe verletze ihre Rechte als Filmherstellerin und die sich hieraus ergebenden ausschließlichen Nutzungsrechte.
Dies gelte entsprechend für 17 im Buch wiedergegebene Chatnachrichten (Antrag II.3), die nach Auffassung der Antragstellerin als Sprachwerke gemäß §§ 72, 43 UrhG zu ihren Gunsten geschützt seien. Der Anspruch stehe ihr zudem aus § 6 GeschGehG und wegen Verletzung des durch das Redaktionsgeheimnis verstärkten Rechts am eigenen Wort zu.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Teilversäumnis- und Endurteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, dem Eilantrag lediglich insoweit stattgegeben, als es 11 der 74 Aussagen, auf die sich der Antrag II.1 bezog, untersagt hat. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insoweit im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Antragstellerin könne nicht verlangen, dass dem Antragsgegner die Veröffentlichung des gesamten Buchs (Antrag I) untersagt werde. Die von der Antragstellerin herangezogenen Regelungen des Arbeitsvertrags (zu Nebentätigkeiten und Publikationen und zur Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers) seien dahin auszulegen, dass sie nicht mehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten würden. Da im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, zu der der Anspruch auch noch bestehen müsse, der Arbeitsvertrag beendet gewesen sei, könne aus diesen Regelungen der Unterlassungsanspruch nicht hergeleitet werden. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus der Pflicht zur Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimissen, da nicht das gesamte Buch solche Bereiche beträfe. Die Antragstellerin könne aus dem Arbeitsvertrag keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Buch reklamieren. Das Buch sei kein Arbeitsergebnis und sei vom Antragsgegner auch nicht in Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis erstellt worden. Das Buch insgesamt verletze auch weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht, die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin, noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ihrer Mitarbeiter. Der Antrag, die Veröffentlichung von Teilen des Buchs zu untersagen, sei unbestimmt.
Die Anträge auf Untersagung einzelner Äußerungen im Buch (Antrag II.1) sei hinsichtlich 63 Äußerungen unschlüssig und daher zurückzuweisen gewesen. Es bedürfe trotz des arbeitsvertraglich vorgesehenen, auch für die Zeit nach Vertragsbeendigung vorgesehenen Geheimhaltungsgebots (Ziff. 9.2 des Arbeitsvertrags) im Hinblick auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit einer umfassenden Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen.
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