Entscheidungsstichwort (Thema)
Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit bei nochmaliger Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen in einem zweiten Eilverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Autor eines Buches, das sich kritisch mit der Tätigkeit eines Medienunternehmens beschäftigt, in der zweiten Auflage seines Buches Aussagen trifft, die von dem Medienunternehmen bereits in einem vorangegangenen, gegen die Erstauflage gerichteten Eilverfahren angegriffen worden sind, so steht bei Identität bzw. Kerngleichheit der Aussagen in der Zweitauflage einer erneuten Rechtsverfolgung die Rechtshängigkeit des ersten Eilverfahrens entgegen.
2. Wurden in diesem Fall identische oder kerngleiche Aussagen in der Erstauflage bereits in einem vorangegangenen Eilverfahren rechtkräftig verboten, fehlt für eine erneute Rechtsverfolgung der Aussagen in der Zweitauflage in einem Verfügungsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis.
3. Wurden in diesem Fall identische oder kerngleiche Aussagen in der Erstauflage in einem vorangegangenen Eilverfahren nicht angegriffen, fehlt für eine Rechtsverfolgung der Aussagen in der Zweitauflage in einem Verfügungsverfahren der Verfügungsgrund.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; UrhG § 97; ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1, § 916
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.10.2021; Aktenzeichen 2-03 O 304/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.10.2021 (AZ: 2-03 O 304/21) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (nachfolgend auch "Antragstellerin") ist eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Stadt1, die das deutschsprachige Programmangebot des Fernsehsenders "Russischer Sender" betrieb. Sie wendet sich im hiesigen Eilverfahren gegen Äußerungen in der Zweitauflage eines Buches des Verfügungsbeklagten (nachfolgend auch "Antragsgegner"), ihres ehemaligen Redakteurs bzw. Reporters.
Dieser veröffentlichte im März 2021 eine erste Auflage des von ihm verfassten und herausgegebenen streitgegenständlichen Buchs mit dem Titel "Titel1" (Anlage MK4, GA 93 ff.), das in Erstauflage im März 2021 elektronisch auf der Internetplattform Amazon veröffentlicht wurde.
Nachdem die Antragstellerin ein Verbot des Verkaufs des Buches auf Amazon erwirkt hatte, beantragte sie am 1.4.2021 in einem ersten Eilverfahren beim Arbeitsgericht Stadt1 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner, mit dem sie u.a. die Untersagung des Buchs insgesamt in der damaligen ersten Auflage sowie die Untersagung von 74 Äußerungen, verschiedener Screenshots und Chatprotokolle in diesem Buch erreichen wollte (nachfolgend "erstes Eilverfahren"). Nach teilweiser Verweisung durch das Arbeitsgericht Stadt1 an das Landgericht Stadt2, entschied das Landgericht Stadt2 in dem ersten Eilverfahren nach mündlicher Verhandlung vom 13.8.2021 mit Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 19.8.2021 (AZ ...; nachfolgend "Teilversäumnis- und Schlussurteil"). Es verbot 11 der angegriffenen 74 Äußerungen in der ersten Auflage des Buches und wies den Antrag im Übrigen zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Teilversäumnis- und Schlussurteil verwiesen.
Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 2.9.2021 den von ihm zunächst gegen das Teilversäumnis- und Schlussurteil erhobenen Einspruch zurück; dieser Schriftsatz wurde am 8.9.2021 an die Antragstellerin abgesandt. Die Antragstellerin legte am 15.9.2021 gegen das Teilversäumnis- und Schlussurteil Berufung ein. Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tag die Berufung zurückgewiesen (AZ. 11 U 115/21).
Bereits am 11.6.2021 hatte der Antragsgegner auf der Plattform "Google Books" eine überarbeitete Zweitauflage des im ersten Eilverfahren angegriffenen Buchs mit dem Titel "Titel2" veröffentlicht und die Antragstellerin hierüber am 21.6.2021 informiert. Die Antragstellerin mahnte den Antragsgegner unter dem 5.7.2021 daraufhin erfolglos ab, beanstandete das Buch bei der Internet-Plattform Google und erreichte, dass die Veröffentlichung dort gestoppt wurde.
Am 19.7.2021, das heißt vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stadt2 im ersten Eilverfahren, hat die Antragstellerin daraufhin im hiesigen Eilverfahren beim Landgericht Stadt2 beantragt, dem Antragsgegner 32 Äußerungen in der überarbeiteten Zweitauflage des Buchs zu untersagen, da es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen handele.
Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 11.10.2021 (nachfolgend auch "LGB") drei der angegriffenen Äußerungen (Unterlassungsanträge zu (2), zu (20) und zu (26); Unterlassungsanträge zu (2) und (26) jedoch nur teilweise) untersagt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit vorliegend relevant - Folgendes ausgeführt:
Hinsichtlich eines Teils der angegriffenen Äußerungen (Unterlassungsanträge zu (8), (10), (14), (25), und (31)) fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil diese Äußerungen bereits durch das Teil Ve...