Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 SGB VII
Normenkette
SGB VII § 106 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Gießen (Entscheidung vom 25.02.2016; Aktenzeichen 3 O 200/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 25. Februar 2016 (Az.: 3 O 200/14) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention haben diese jeweils selbst zu tragen.
Dieses Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 41.877,97 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Ansprüche aus einem Arbeitsunfall geltend, der sich am XX.XX.2003 gegen 23 Uhr in der Umschlaghalle der Firma A-Logistik GmbH in Stadt1 ereignete. Unfallbeteiligt waren Herr B, der zum Unfallzeitpunkt als gewerblicher Arbeitnehmer der Beklagten tätig war, und der Geschädigte C, der als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Spedition D GmbH beschäftigt war, die wiederum Pflichtmitglied der Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Beide Unfallbeteiligten steuerten in der Umschlaghalle ein elektrisches Flurfördergerät, eine sog. "Elektroameise", mit dem sie jeweils eine beladene Palette bewegten. In der Halle kam es zum Zusammenstoß der Flurförderfahrzeuge. Dabei schob sich das Trittbrett des Fahrzeugs von Herrn B über das Trittbrett, auf dem C auf seinem Fahrzeug stand und quetschte dessen linken Fuß ein. Infolge von im Heilungsverlauf hinzutretenden erheblichen Komplikationen, deren Einzelheiten streitig sind, musste dem Geschädigten der Unterschenkel amputiert werden, es traten ferner Lähmungen und andere Erschwernisse ein.
Wegen der weiteren tatsächlichen Umstände wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Hinzu tritt noch folgendes:
Im Verfahren erster Instanz waren viele Einzelheiten zur Arbeitsorganisation der Abläufe in der Umschlaghalle der A-Logistik GmbH unstreitig geblieben. Danach waren diese wie folgt organisiert: Zwischen der A-Logistik GmbH und den die Umschlaghalle nutzenden Speditionen bestanden Kooperationsverträge. Jedem Unternehmen war danach ein bestimmtes räumliches Gebiet zugeordnet, in der diese Spedition Sendungen, die über die Umschlaghalle abgewickelt wurden, auslieferte. Die Verträge sehen dabei vor, dass teilnehmende Speditionen in ihren jeweiligen Gebieten Transporte von Waren füreinander ausführten. Alle Unternehmen nutzten dabei eine einheitliche EDV zur Abwicklung der Transporte und ein einheitliches System für das Scannen der Barcodes der Sendungen zur Weiterverfolgung der Waren. Für die Abwicklung der Transporte in der Halle galten die Regelungen der Systemhandbücher der A-Logistik GmbH. Die Umschlaghalle wurde nur von so verbundenen Kooperationspartnern genutzt. Das Be- und Entladen der Waren erfolgte in der Halle durch die jeweiligen Fahrer der LKW von Speditionen, aber auch durch Mitarbeitende der A-Logistik GmbH. Auf dem Gelände unterstanden die Fahrer der Speditionen den Weisungen des Subkoordinators, eines Mitarbeiters der A-Logistik GmbH. Für das Be- und Entladen der LKW lagen Zeitpläne vor.
Das Landgericht Gießen hat nach Beweisaufnahme über die weiteren Einzelheiten der Abwicklung der Arbeiten in der Umschlaghalle durch Urteil vom 25. Februar 2017, dieses berichtigt durch Beschluss vom 4. Mai 2016, die Klage abgewiesen. Dabei hat es die Ansicht vertreten, dass die Haftpflichtversicherung der Beklagten, die X AG, mit ihren Schreiben vom 5. Dezember 2005, vom 10. April 2005 und den weiteren Schreiben vom 28.05.2008, 9.09.2010 und 11.10.2012 kein Schuldanerkenntnis abgegeben habe. Nach Auslegung der Erklärungen im Gesamtzusammenhang ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass diesen Schreiben nicht der Wille zu entnehmen sei, das Schuldverhältnis insgesamt dem Streit zu entziehen. Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte seinen schließlich auch nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. i.V.m. §§ 104, 105 SGB VII ausgeschlossen, da es sich bei der Umschlaghalle um eine sog. "gemeinsame Betriebsstätte" der beiden Speditionen gehandelt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist es davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeiten der beiden unfallbeteiligten Flurförderfahrzeugführer als ein aufeinander bezogenes, betriebliches Zusammenwirken dargestellt habe, weil diese einander ergänzt hätten und auf gegenseitige Unterstützung ausgerichtet gewesen sei. Im Übrigen bestehe in der Umschlaghalle eine Gefahrengemeinschaft der sie nutzenden Firmen, da sich die Fahr...