Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Mietzahlungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Die in den Hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus im Frühjahr 2020 angeordneten Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte begründen weder einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der gemieteten Gewerberäume, noch eine Unmöglichkeit der von dem Vermieter geschuldeten Leistung.
2. Durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie kann aber die Geschäftsgrundlage eines Mietvertrages schwerwiegend gestört sein, wenn die Vertragsparteien sie bei Abschluss des Vertrages nicht bedacht haben. Für die Frage, ob und in welcher Weise dieser Umstand zu einer Anpassung des Mietvertrages führt, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
3. Erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen für den Mieter können von Beginn der Maßnahmen an zu einer Herabsetzung der Miete führen. Einer solchen Herabsetzung können aber eigene erhebliche finanzielle Verpflichtungen des Vermieters entgegenstehen.
Normenkette
BGB § 275 Abs. 1, 4, § 313 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 535, 536 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.12.2020; Aktenzeichen 2-21 O 113/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. - 21. Zivilkammer - vom 23.12.2020 (Az.: 2-21 O 113/20) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.913,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO:
Der Beklagte vermietete an die Klägerin durch Mietvertrag vom 7.11.2011 Räumlichkeiten im Erdgeschoß und Keller des Anwesens Straße1 in Stadt1. zum Betrieb eines Sushi-Restaurants sowie im freien Ermessen des Mieters einschließlich dazugehörender Bar und gegebenenfalls Sushi-Kochstudio für die Zeit vom 1.2.2012 bis zunächst zum 31.12.2021. Das ihr zustehende Optionsrecht übte die Klägerin nicht aus. Die Miete beträgt seit Mai 2019 monatlich 7.100,- EUR Nettokaltmiete zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 500,- EUR, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, bei 19 % Umsatzsteuer also insgesamt 9.044,- EUR. Die Klägerin betreibt eine gastronomische Kette, die bundesweit an 14 Standorten unter der Marke "A" ein Sushi-Restaurant betreibt. In dem Restaurant ist rund um eine Zubereitungsstelle ein Laufband angebracht, auf dem die eben vor den Augen der Gäste zubereiteten und auf das Laufband gestellten Speisen bzw. Portionen angeboten werden, die sich die Gäste selbst auswählen und vom Laufband nehmen können.
Aufgrund § 1 Abs. 1 Nrn. 2, 9, § 2 der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der Hessischen Landesregierung vom 17.3.2020 (GVBl. 2020 S. 167), vom 1.5.2020 an in der Fassung der Verordnung vom 1.5.2020 (GVBl. 2020, 290), konnte die Klägerin ihren Restaurantbetrieb vom 18.3.2020 an bis zum 15.5.2020 nicht mehr durchführen. Vom 16.5.2020 an war eine gemäß § 4 der Hessischen Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung vom 7.5.2020 stark eingeschränkte Wiederaufnahme des Betriebs bei massiv verringerten Gästekapazitäten für die Klägerin möglich. Die Klägerin zahlte für die Monate April und Mai 2020 eingehend auf dem Konto des Beklagten am 29.4. und 28.5.2020 jeweils 4.522,- EUR (Kontoauszüge Blatt 293 f. der Akte). Die Miete für den Monat Juni 2020 zahlte sie nicht. Den Vortrag im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.6.2020, Seite 4 (Blatt 60 der Akte), sie habe die Hälfte der Miete für Juni 2020 gezahlt, hat er im Schriftsatz vom 30.6.2021, Seite 2, nebst Anlage B 14 (Blatt 282, 286 der Akte) dahingehend berichtigt. Die Klägerin eröffnete ihre Filiale wieder am 18. oder 19.6.2020. Von Juli 2020 an zahlte sie die Mieten wieder vollständig. Mit ihrer Klage verlangt sie Feststellung, dass sie aufgrund der behördlichen Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie für den Monat April 2020 nur die Hälfte des vereinbarten Mietzinses und für den Monat Mai 2020 nur 5/8 der Miete schuldet. Hinsichtlich des weitergehenden Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 23.12.2020, der Klägerin zugestellt am 30.12.2020, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig aber unbegründet. Die behördlich angeordnete Schließung stelle keinen Mangel der Mietsache dar. Auch die Voraussetzungen für eine Anpassung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage lägen nicht vor. Die Risikoverteilung in gewerblichen Mietverträgen dürfe nur in Fällen krasser Unbilligkeit abgeändert werden. Dass ein solcher Fall vorliege, habe die...