Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 20.12.2013; Aktenzeichen 27 O 105/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 27. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 20.12.2013 abgeändert.
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.122,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.04.2012 zu zahlen.
3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 775,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.04.2012 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom xx. 07.2011 auf der "Straße1" in Stadt1 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder auf sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten 72 % und der Kläger 28 %.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzungen die er als Fahrgast aufgrund eines Sturzes in einem Linienbus erlitten hat.
Am xx. 07.2011 steuerte die Beklagte zu 1) gegen 9:20 Uhr den Linienbus (nachfolgend: A-Bus) der Beklagten zu 2), der bei der Beklagten zu 3) versichert ist. Von der ... straße2 in Stadt1 kommend fuhr sie in Richtung des Stadt1 Bahnhofs und bog nach links in die bergauf führende Straße1 ein. In der Straße1 ist die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt. Sie wird in beiden Richtungen befahren. Etwa 50 m nach der Kreuzung war die von dem A-Bus befahrene Fahrspur in der Straße1 von einem haltenden PKW1 blockiert. Die Engstelle befand sich vor einer unübersichtlichen Linkskurve. Die Beklagte zu 1) zog den bergauf fahrenden A-Bus nach links auf die Gegenfahrbahn und umfuhr das haltende PKW1. Aus der Kurve kam ihr der bergab fahrende PKW2, gesteuert von der Zeugin Z2 entgegen. Die Beklagte zu 1) leitete eine Vollbremsung ein. Eine Kollision mit dem entgegen kommendem PKW2 fand nicht statt.
Der Kläger (Jahrgang 194x) und seine Ehefrau befanden sich als Fahrgäste in dem A-Bus. Sie stürzten in Zusammenhang mit dem Bremsmanöver. Der Kläger leidet aufgrund eines 2004 erlittenen Schlaganfalls an Gang- und Sprachstörungen. Er erlitt eine Oberschenkelhalsfraktur. Verletzungsbedingt wurde dem Kläger am xx. 07.2011 eine Hüft-Totalendprothese implantiert. Er befand sich bis einschließlich xx. 7.2011 stationär im Krankenhaus und unterzog sich anschließend bis xx. 8.2011 einer stationären Rehabilitation sowie nachfolgend 36 ambulanten physiotherapeutischen Behandlungen. Für insgesamt drei Monate benötigte der Kläger einen Rollator. Seither ist er auf Gehstützen angewiesen.
Der Kläger hat behauptet, dass er auf dem Behinderten zugewiesenen Platz sitzend, sich mit der linken Hand an dem dafür vorgesehenen Haltegriff festgehalten habe. Seine neben ihm sitzende Ehefrau habe sich rechts an einer Haltestange festgehalten. Die Geschwindigkeit vor dem Abbremsen habe mehr als 30 km/h betragen. Auch wenn der A-Bus nur 20 km/h erreicht hätte, sei dies ausreichend gewesen, um ihn aus dem Sitz zu schleudern. Die Beklagte zu 1) sei mit dem A-Bus in der Mitte der Straße gefahren und habe den entgegenkommenden Gegenverkehr übersehen. Er hat ein Schmerzensgeld von 15.000,00 EUR für angemessen gehalten.
Die Beklagten haben vertreten, dass ein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu 1) fehle. Der Kläger sei gestürzt, weil er seiner Festhalte- und Eigensicherungspflicht nicht im erforderlichen Maß genügt habe. Bei dem Bremsvorgang habe jeder Fahrgast, der sich ordnungsgemäß sichere, sich vor Verletzungen schützen können.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.12.2013, auf dessen Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 3.1.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3.2.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 3.4.2014 am 3.4.2014 begründet.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten auf der Grundlage einer Haftungsquote von 100 % in vollem Umfang weiter. Er rügt die Beweiswürdigung des LG. Die Beweisaufnahme habe eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) bestätigt. Die Beklagte zu 1) sei trotz erkennbarem Gegenverkehr an dem haltenden Fahrzeug vorbeigefahren. An dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten bestünden erhebliche Zweifel. Eine zutreffende Auswertung der Tachoscheibe ergebe, dass der A-Bus zum Unfallzeitpunkt 32 km/h und damit mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Ein Eigenverschulden des Klägers fehle. Auch unter Berücksichti...