Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Grundrechteabwägung zwischen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Berufsfreiheit gegen die Meinungsäußerungsfreiheit im Presse- und Äußerungsrecht
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; GG § 2 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.03.2017; Aktenzeichen 2-03 O 189/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2017 (2- 03 O 189/16) im Tenor zu II. wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung gegen den Kläger zusteht, wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten oder zu verbreiten und /oder verbreiten zu lassen, der Beklagte
c) gehöre zum völkisch-rassistischen Lager;
d) habe Kontakt zu extrem rechten und völkischen Kreisen,
wenn dies geschieht wie in dem Beitrag "..." vom 3. Mai 2016 unter der Seite www.(...).de in dem Online-Magazin "X" (Anlage K1).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 30 % und der Beklagte 70% zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 60 % und der Beklagte 40 %zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 15.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage im Zusammenhang mit einer Berichterstattung vom XX.XX.2016 über den Beklagten mit der Überschrift "..." in Anspruch. Der Bericht erschien in dem unter der Seite www.(...).de verbreiteten Online-Magazin "X" (Anlage K 1, Bl. 21 bis 22 GA). Der Kläger ist Journalist, Betreiber dieses Magazins und Verfasser des streitgegenständlichen Artikels. Der Beklagte ist Lehrer für J und L am Schule A. Er ist Mitglied des ...verbandes der B, einer schlagenden Verbindung, über deren politische Ausrichtung die Parteien streiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Hinzu tritt folgendes: Am XX.XX.2016 fand in den Räumlichkeiten der Burschenschaft eine Veranstaltung statt, an der Schülerinnen und Schüler aus dem Abiturjahrgang des Beklagten teilgenommen hatten. Es ist zwischen den Parteien im Rahmen des Verfahrens unstreitig geworden, dass es sich dabei um eine Grillfeier gehandelt hatte, die die Schülerinnen und Schüler dort selbst organisiert hatten. Ferner ist unstreitig geblieben, dass der Beklagte im sozialen Netzwerk "(...)" ein Nutzerprofil unterhält, in dem ein Herr U als sog. "(...)" aufgeführt wird.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage in den Anträgen zu 1. und 2. stattgegeben und die Klage im Antrag zu Ziffer 3. abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe für alle Anträge ein Feststellungsinteresse, da der Beklagte sich in seiner Abmahnung der dort im einzelnen aufgeführten Unterlassungsansprüche berühmt habe und der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Klärung der Rechtslage habe. Ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des ganzen Artikels als solchen bestehe aber nicht, weshalb die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. begründet sei. Hinsichtlich des Antrags zu 3. stehe dem Beklagten aber wegen aller der dort wiedergegebenen fünf Äußerungen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB und Art. 1 und 2 GG zu. Der Kläger habe eine identifizierende Berichterstattung nicht zu dulden, weil der Kern und Ausgangspunkt der Berichterstattung sich nicht als wahre Tatsachenbehauptung darstelle. Der Kläger habe für die Behauptung, der Beklagte habe Schülerinnen und Schüler seines Abiturjahrgangs zu einer Feier der ... B im Monat 2016 eingeladen, auch keinen Beweis angetreten. Er sei auch dem Vortrag des Beklagten hierzu in der Sache nicht mehr entgegengetreten, weshalb von der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung auszugehen sei. Allein der Umstand, dass der Beklagte Mitglied des ...verbandes der B sei, rechtfertige es nicht, ihn identifizierend als Vereinsmitglied hervorzuheben und anlasslos u.a. als "rechtsradikal" an den Pranger zu stellen.
Mit seiner Berufung vom 19. April 2017 verfolgt der Kläger seinen Antrag zu 3. weiter und rügt Rechtsfehler des Landgerichts. Das Landgericht habe sich über seinen Klageantrag hinweggesetzt, weil es sich nur mit der Frage befasst habe, ob der Kläger über den Beklagten identifizierend berichten dürfe, was aber gar nicht Ziel seiner Klage gewesen sei. Die Klage betreffe ausschließlich die im Antrag zu 3. aufgeführten fünf konkreten Äußerungen, von denen er meine, dass er diese - wie im Kontext des Artikels vom XX.XX.2016 geschehen - aufstellen dürfe. Er ist der Ansicht, es handele sich hierbei um Meinungsäußerungen, für die eine hinreichende Tatsachengrundlage...