Verfahrensgang
LG Marburg (Urteil vom 11.12.1996; Aktenzeichen 2 O 152/96) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 1) gegen das Grundurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 11. Dezember 1996 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszugs haben die Parteien wie folgt zu tragen:
der Kläger 4/5 der Gerichtskosten und der eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bis 5), die Beklagte zu 1) 1/5 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Klägers und der Beklagten zu 1) beträgt jeweils 59.044,62 DM.
Gründe
Sowohl die Berufung des Klägers als auch diejenige der Beklagten zu 1) ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. Beide Rechtsmittel haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Landgericht hat zu Recht die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Klage abgewiesen, soweit sie gegen die Beklagten zu 2) bis 5) gerichtet ist.
In entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB steht dem Kläger wegen Rissen, die an dem Haus … entstanden sind, ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte zu. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob die Risse durch den Abriß des der Beklagten zu 1) gehörenden Nachbarhauses Bahnhofstraße 21, Erschütterungen bei den Rammarbeiten oder durch den Baugrubenaushub entstanden sind. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB regelt zwar nur die Ausgleichspflicht des Grundstückseigentümers wegen Imissionsbeeinträchtigungen, und möglicherweise haben nur die Rammarbeiten zu Einwirkungen im Sinne von § 906 BGB auf das Haus Hexengäßchen 4 geführt. In entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kommt aber ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auch für andere als durch Immissionen herbeigeführte Beeinträchtigungen in Betracht. Der Anspruch erfaßt alle von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück ausgehende Einwirkungen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (BGHZ 72, 289, 292; BGHZ 85, 375, 384). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, wobei der Kläger als Eigentümer anspruchsberechtigt ist. Er hat durch Vorlage eines Grundbuchauszugs (Bd. II Bl. 104 d. A.) nachgewiesen, daß das Grundstück Hexengäßchen 4 in Treysa in seinem Alleineigentum steht.
Im Rahmen des selbständigen Beweis Verfahrens 2 OH 66/95 LG Marburg hat der Sachverständige … bei der Ortsbesichtigung vom 16. Mai 1995 sowohl an dem Nachbargebäude … als auch an dem im Eigentum des Klägers stehenden Gebäude …, die unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beklagten zu 1) errichtet sind, eine Vielzahl nicht unbeträchtlicher Risse festgestellt. In dem Beweissicherungsgutachten vom 19. Juni 1995 hat er die an den Häusern und … vorgefundenen Risse im einzelnen beschrieben und durch beigefügte Lichtbilder dokumentiert (für das Haus … Bl. 148 bis 151 und 179 bis 207 sowie für das Haus … Bl. 151 bis 154 und 208 bis 231 d. A. 2 OH 66/95 LG Marburg). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung (§ 286 ZPO) ist der Senat davon überzeugt, daß die von dem Sachverständigen … beschriebenen und dokumentierten Risse durch die ab November 1994 auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) durchgeführten Baumaßnahmen verursacht worden sind und daß die Schäden nicht etwa nur zufällig wegen nicht genügender Gründung der Häuser … und … zeitgleich mit den Baumaßnahmen aufgetreten sind, wie die Beklagte behauptet. Unstreitig sind zwar schon vor Beginn der Baumaßnahmen zahlreiche Risse an den Gebäuden entstanden. Der Sachverständige … hat jedoch auf Seite 13 des Beweissicherungsgutachtens erklärt, die von ihm aufgeführten Schäden seien durch die Baumaßnahmen auf dem angrenzenden Baugrundstück … verursacht worden, und zwar insbesondere während der Bohrarbeiten der Pfahlgründung, dann während der Erdaushubarbeiten der Baugrube und durch die daraufhin vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen mittels einer Spundwand. Der Sachverständige hat seine Angaben über die Ursächlichkeit der Baumaßnahme für die Rißbildung zwar nicht näher begründet. Für die Richtigkeit seiner Einschätzung spricht jedoch, daß nach seinen Feststellungen eine Vielzahl von Rissen zu der an der Baugrube liegenden Außenwand oder parallel zu dieser Wand verlaufen. Außerdem hat der Sachverständige die Ursächlichkeit der Baumaßnahme für die Bildung der von ihm festgehaltenen Risse in seiner Stellungnahme vom 5. Mai 1998 (Bd. II Bl. 191 d. A. … gegen … Aktenzeichen 15 U 52/97) nochmals bestätigt und erklärt, er habe seine Feststellungen dazu aufgrund der Schadensbilder und des Schadensumfangs getroffen, für ihn stelle sich nur noc...