Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-03 O 222/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. April 2020, Az. 2-03 O 222/19, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Lichtbildes der Klägerin in der von der Beklagten verlegten Illustrierten "Bunte" - Ausgabe Nr. 46 vom 9. November 2017 -, das sie an der Seite ihres Mannes in schicker Abendkleidung zeigt. Das Lichtbild illustrierte großformatig die Titelschlagzeile "Michael Schumacher - Corinna hat immer noch Hoffnung!" sowie den Beitrag selbst, der sich damit befasst, dass und warum die Klägerin immer noch Hoffnung auf ein medizinisches Wunder betreffend ihren Ehemann habe. Gegenstand des Artikels ist zudem das Schicksal der Luise Köppen, deren Sohn nach einem Unfall mit schwersten Hirnverletzungen im Koma gelegen habe und dem es heute wieder gut gehe.
Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Eine Einwilligung in die Veröffentlichung der Bilder liege nicht vor. Es könne offen bleiben, ob die Lichtbilder als kontextneutral anzusehen seien. Ihre Veröffentlichung sei nämlich deshalb nicht berechtigt, weil sie nicht eine Wortberichterstattung über ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Nr. 1 KUG bebilderten. Das Bild stehe in keinem thematischen Zusammenhang zu der Berichterstattung. Das angegriffene Bild zeige das Ehepaar Schumacher beim Deutschen Sportpresseball im Jahre 2012. Zu diesem Ereignis weise die Berichterstattung keinen Kontext auf.
Die Bildberichterstattung beschränke sich darauf, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lasse. Ein aktuelles zeitgeschichtliches Ereignis sei auch nicht in der Schilderung der Genesung des Sohnes von Frau Luise Köppen zu sehen, mittels dessen versucht werde, Parallelen zum Fall des Ehemannes der Klägerin zu ziehen. Bezogen auf den Bericht über den Ehemann der Klägerin, dessen Unfall im Zeitpunkt der Berichterstattung nahezu 4 Jahre zurücklag, erschöpfe sich der Artikel in Spekulationen und Mutmaßungen über den Gesundheitszustand des Ehemannes der Klägerin und die dadurch entstandenen Belastungen oder Empfindungen der Klägerin, ohne neue Erkenntnisse aufzugreifen. Dies diene nicht der ernsthaften und sachbezogenen Erörterung der Angelegenheiten von öffentlichem Interesse.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (BI. 119 ff. d.A.) Bezug genommen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie macht geltend, die Klägerin habe zumindest konkludent in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt, indem sie vor der Kamera posiert habe. Eine Einschränkung hinsichtlich der Verwendung sei nicht erfolgt.
Es handele sich um ein kontextneutrales Bild. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse es sich insoweit nicht zwingend um eine Portraitaufnahme handeln, sondern es komme darauf an, ob das Erscheinungsbild einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens nur noch mal ins Gedächtnis gerufen werde.
Maßgeblich sei, dass durch die Veröffentlichung keine zusätzliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vorliege.
Das Landgericht gehe irrtümlich davon aus, kontext-neutrale Personenbildnisse dürften nur im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen "Ereignis" veröffentlicht werden. Für das Veröffentlichungsrecht sei vielmehr ein sich aus der Wortberichterstattung erschließendes Informationsinteresse ausreichend, solange jedenfalls keine berechtigten Interessen nach § 23 Abs. 2 KUG tangiert seien. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu kontext-neutralen Personenbildnissen berücksichtige, dass ein kontextloses, sich auf die Visualisierung der betreffenden Person beschränkendes Portraitfoto einem angemessenen Interessenausgleich entspreche. Bei Angehörigen von Personen der Zeitgeschichte begründe allein die auch die familienrechtliche Verbindung gegebene Nähebeziehung ein überwiegendes Informationsinteresse und rechtfertige eine Bildberichterstattung, sofern der Bildinhalt nicht die Privatsphäre betreffe. Ein "Ereignis" sei dafür nicht nötig; das öffentliche Interesse könne sich auch aus anderen Umständen ergeben, wie sich aus dem von dem Bundesgerichtshof betreffend den ehemaligen Staatsoberhaupt Wulff entschiedenen Fall ergebe. Zur Veröffentlichung kontext-neutraler Personenbildnisse bedürfe es lediglich eines einfachen Informationsinteresses. Ein solches sei bei einer "zeitgeschichtlichen Person" wie Michael Schumacher immer gegeben. Eine Berichterstattung über eine "zeitgeschichtliche Person" wie Michael Schumacher falle immer in den Bereich der "Zeitgeschichte", auch wenn sie nur - ob mit oder ohne Anlass - an sei...