Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen der COVID 19-Pandemie auf die Mietzahlungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Auch lediglich mittelbar wirkende Folgen der COVID 19-Pandemie und der auf ihr beruhenden staatlichen Maßnahmen in Gestalt einer erheblichen Veränderung des Verhaltens der Bevölkerung, wie sie für einen Reinigungsbetrieb entstehen, sind grundsätzlich geeignet, eine Störung der Geschätsgrundlage zu begründen, die zur Anpassung eines Mietvertrages führen. Maßgeblich für die Beurteilung sind über Art. 240 §§ 2 und 7 EGBGB hinaus sämtliche Umstände des Einzelfalls.
Normenkette
BGB § 313 Abs. 1, §§ 535, 536 Abs. 1 Sätze 1-2; EGBGB Art. 240 §§ 2, 7
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.07.2021; Aktenzeichen 2-10 O 220/20) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. - 10. Zivilkammer - vom 19.7.2021 (Az.: 2-10 O 220/20) wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass zur Klarstellung festgestellt wird, dass der Rechtsstreit hinsichtlich eines am 30.9.2021 gezahlten Betrages von 11.000,- EUR erledigt ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.994,06 EUR festgesetzt.
Gründe
I. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO:
Der Kläger schloss mit der A Ltd. unter dem 23.8.2006 über das Gewerbeobjekt C-Straße ... in Stadt1 einen Mietvertrag zum Zwecke des Betriebs einer Reinigungsannahme (Blatt 17 ff. der Akte). In diesen Mietvertrag trat die Beklagte durch Vereinbarung gemäß Nachtrag 2 zum Hauptmietvertrag am 18.4.2011 ein (Blatt 25 der Akte). Seit dem 1.11.2015 hatte die Beklagte nach den vertraglichen Vereinbarungen monatlich einen Mietzins von 2.400,- EUR sowie eine Betriebskostenvorauszahlung von 270,- EUR, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, zu zahlen. Mit 3. Nachtrag vom 22.12.2016 zum Mietvertrag vereinbarten die Parteienunter anderem eine Erhöhung der Miete vom 1.1.2022 an auf monatlich 2.470,- EUR netto (Blatt 26 der Akte).
Aufgrund der sich spätestens seit Anfang 2020 auch in Deutschland ausbreitenden COVID 19-Pandemie wurden am 13.3.2020 bundesweit aufgrund behördlicher Anordnungen eine Großzahl von Einzelhandelsgeschäften sowie Schulen und Kitas geschlossen. Unternehmen und Verwaltung reduzierten die Präsenzpflicht ihrer Beschäftigten. In dieser Zeit ließen viele Menschen weniger Kleidung bei der Beklagten reinigen. Von März 2020 an führte dies bei ihr zu einem deutlichen Umsatzeinbruch. Von April bis Juli 2020 zahlte die Beklagte unter Berufung auf diese Situation keine Miete, sondern allein die Betriebskostenvorauszahlungen, die sie auch in der Folgezeit weiter leistete. Auch die nachfolgenden vertraglich geschuldeten Zahlungen leistete sie nicht vollständig.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung restlicher Mieten und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, sowie Verzugspauschalen. Die Beklagte beruft sich auf die Einschränkungen infolge der COVID 19-Pandemie. Sie ist der Ansicht, aufgrund dieser Umstände sei sie bis zum 30.6.2020 hinsichtlich der Mieten zur Leistungsverweigerung berechtigt. Ferner könne sie Anpassung des Mietvertrages verlangen, so dass die betreffenden Mieten nicht geschuldet seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 19.7.2021, ihr zugestellt am 28.7.2021, verurteilt, an den Kläger 32.009,56 EUR abzüglich am 24.6.2020 gezahlter 963,80 EUR und am 16.7.2020 gezahlter 313,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.177,30 EUR vom 6.4.2020 bis zum 24.6.2020, aus 2.856,- EUR seit dem 25.6.2020, EUR aus 3.177,30 EUR vom 6.5.2020 bis zum 24.6.2020, aus 2.856,- EUR seit dem 25.6.2020, aus 3.177,30 EUR vom 5.6.2020 bis zum 24.6.2020, aus 2.856,- EUR seit dem 25.6.2020, aus 2.888,66 EUR vom 6.7.2020 bis zum 16.7.2020, aus 2.575,46 EUR seit dem 17.7.2020, aus 3.097,20 EUR vom 5.8.2020 bis zum 6.8.2020, aus 2.784,- EUR seit dem 7.8.2020,
aus 1.392,- EUR seit dem 5.9.2020, aus 1.392,- EUR seit dem 5.10.2020, aus 1.392,- EUR seit dem 5.11.2020, aus 3.097,20 EUR seit dem 5.12.2020, aus 3.177,30 EUR seit dem 5.1.2021, aus 3.177,30 EUR seit dem 4.2.2021 und aus 3.177,30 EUR seit dem 4.3.2021 sowie 532,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.7.2020 an Anwaltskosten und eine Verzugspauschale für Zahlungsverzug für die Monate Juni 2020 bis einschließlich März 2021 in Höhe von 480,- EUR und ferner 1.261,50 EUR als Schadenersatz für die Mandatierung des Prozess-bevollmächtigten des Klägers nebst Zinsen in Höhe vo...