Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Anlageberaters: Verharmlosung der Anlagerisiken im Beratungsgespräch
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beratungspflichtverletzung liegt auch dann vor, wenn in der mündlichen Beratung die im Emissionsprospekt dargestellten Risiken derart verharmlost werden, dass der Anleger eine falsche Vorstellung von deren Ausmaß und Erheblichkeit erhält.
2. Ein nach dem Emissionsprospekt vorhandenes Totalverlustrisiko wird verharmlost, wenn der Berater wahrheitswidrig suggeriert, es handele sich lediglich um ein jede Anlage gleichermaßen treffendes Risiko, das mithin - theoretisch - stets in Kauf genommen werden muss.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 12.06.2014; Aktenzeichen 3 O 358/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung - das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 12.06.2014 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.820,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2012 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der die Kommanditanteile an der A. gesellschaft mbH betreffenden Ansprüche des Klägers aus dem Treuhandvertrag mit dem Treuhänder X über die von diesem als Treuhandkommanditist für den Kläger gehaltenen Kommanditanteile über nominal 5.000,00 EUR und 12.000,00 EUR.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zugum-Zug angebotenen Abtretung der die Kommanditanteile an der A. gesellschaft mbH betreffenden Ansprüche des Klägers aus dem Treuhandvertrag mit dem Treuhänder X über die von diesem als Treuhandkommanditist für den Kläger gehaltenen Kommanditanteile über nominal 5.000,00 EUR und 12.000,00 EUR in Verzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 34 % und die Beklagte 66 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Beratungsfehlers im Zusammenhang mit dem Erwerb von Kommanditanteilen an der A. gesellschaft mbH & Co. KG auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Ehefrau des Klägers, die inzwischen verstorbene Zeugin Z1, vermittelte im Jahr 2008 einen Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten, die als Anlageberaterin tätig ist.
Der Kläger verfügte zu diesem Zeitpunkt als ... installateur über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.400,00 EUR. Sein gesamtes Vermögen bestand aus einer Lebensversicherung, die für die streitgegenständliche Anlage aufgelöst wurde, und einem Sparbuch mit geringer Einlage.
In einem Beratungsgespräch empfahl die Beklagte dem Kläger die Zeichnung der streitgegenständlichen Anlage, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Beratung ausschließlich am Telefon - so der Kläger - oder etwa sechs bis vier Monate vor der Zeichnung auf einem gemütlichen Abend bei der Beklagten in Langen und zusätzlich im Zusammenhang mit der Übersendung der Unterlagen am Telefon - so die Beklagte - stattfand.
Im Rahmen des Beratungsgesprächs teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er schon einmal bei einer Anlage Geld verloren habe und derartiges bei dieser Anlage nicht noch einmal erleben wolle (Protokoll vom 24.10.2013, S. 4/Bl. 130a d.A.). Die Beklagte führte zu dem Beratungsgespräch unter anderem Folgendes aus:
"Es ist so, dass dieser Satz, das ein Totalverlust eintreten kann, immer und überall steht. Es gibt keine hundertprozentig sichere Anlage. [...] Das Risiko des Totalverlusts steht im Prospekt deutlich drin. Ich habe ihm das auch gesagt, ich habe ihm gesagt, es gibt keine mündelsicheren Anlagen. [...] Ich habe ihm erklärt, dass es sich nicht um eine mündelsichere Anlage handelt. Den Totalverlust habe ich so erklärt, dass es keine sichere Anlage gibt. Es kann gut gehen, es kann aber auch schief gehen." (Protokoll vom 24.10.2013, S. 4 f./Bl. 130a f. d.A.).
Im Zusammenhang mit der Beratung erhielt der Kläger von der Beklagten die als Anlage K 5 (Bl. 89 d.A.) und Anlage K 6 (Bl. 90 d.A.) vorgelegten Schriftstücke mit Rechenbeispielen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Der Kläger zeichnete sodann auf Empfehlung der Beklagten am 07.11.2008 als Treugeber-Kommanditist zwei Kommanditbeteiligungen an der A. gesellschaft mbH & Co. KG über nominal 5.000,00 EUR zuzüglich 6 % Agio und über nominal 12.000,00 EUR zuzüglich 6 % Agio. Der Beitrittsantrag wurde von dem Treuhänder Rechtsanwalt X am 21.08.2011 angenommen. Auf die Zertifikate in Anlagen K1 und K 2 (Bl. 16 f. d.A.) wird Bezug genommen.
Am 07.11.2008 unterzeichnete der Kläger außerdem eine von der Beklagten vorab ausgefüllte "Informationsbestätigung", in der er unter anderem bestätigte, den Emissionsprospekt vorab am 30.10.2008 erhalten zu haben und über die Chancen und Risiken der Anlage aufgeklärt worden zu sein. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf Anlage B 1 (Bl. 34 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger zahlte auf die Beteiligungen nebst Agio zunächst einen Betrag von 9.020,00 E...