Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung der Vermutungsregelung des § 476 BGB.

2. Zur Beweiswürdigung hinsichtlich der Frage, ob das Kupplungssystem des gekauften Fahrzeugs schon bei Auslieferung mangelhaft war.

 

Normenkette

BGB §§ 437, 440, 476

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Aktenzeichen 9 O 122/05)

 

Gründe

I. Im Mai 2003 erwarb der Kläger von der Beklagten käuflich einen Pkw der Marke Y mit einer Laufleistung von 20 Kilometer. Im September 2003 rügte der Kläger einen Kupplungsdefekt; die Reparatur (Austausch von Kupplungsscheibe, Kupplungsdeckel, Schwungscheiben und Kupplungsnehmerzylinder) wurde bei Kilometer 4.027 ausgeführt. Im Mai 2004 trat bei Kilometerstand 8.156 erneut ein Kupplungsschaden auf, der wiederum von der Beklagten durch Austausch der Teile behoben wurde. Im September 2004 trat bei Kilometerstand 12.492 erneut der gleiche Defekt auf. Mit Anwaltsschriftsatz vom 3.11.2004 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte erwiderte hierauf mit Anwaltsschriftsatz vom 17.11.2004 und führte aus, ihres Erachtens habe kein technischer Defekt zum dreimaligen Austausch der Kupplung geführt, sondern vielmehr eine Fehlbedienung durch den Kläger.

Mit bei Gericht am 3.3.2005 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages erhoben. Das Gericht des ersten Rechtszuges hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlich erstatteten Sachverständigengutachtens, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird und welches der Gutachter mündlich erläutert hat.

Mit am 1.6.2006 verkündetem Urteil (Blatt 85 f. d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat der Einzelrichter der 9. Zivilkammer des LG Darmstadt unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 34.321,53 EUR nebst Zinsen seit 20.12.2004 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Rücknahme des Fahrzeuges. Das LG hat in dem Urteil weiterhin festgestellt, dass die Beklagte sich seit 14.11.2004 bezüglich der Rücknahme der Kaufsache in Annahmeverzug befände. Zur Begründung hat der Erstrichter im Wesentlichen ausgeführt, er halte es für erwiesen, dass die Kupplung des Fahrzeuges mangelhaft gewesen sei. Die Feststellung des Sachverständigen, der Kupplungsschaden sei durch eine fehlerhafte Bedienung eingetreten (langes schleifen lassen der Kupplung) sei nicht überzeugend. Der Sachverständige sei zu diesem Ergebnis im Wege eines Ausschlussverfahrens gelangt. Da der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung auch ausgeführt habe, der Schaden könne durchaus auch durch zu schwachen Federdruck oder eine zu dünne Kupplungsscheibe verursacht worden sein, könne zur gerichtlichen Überzeugung der vom Sachverständigen angenommene Bedienungsfehler ausgeschlossen werden.

Gegen das vorbezeichnete und ihr am 12.6.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit bei Gericht am 5.7.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit bei Gericht am 4.8.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt im Wesentlichen, dass der Erstrichter ohne schlüssige Begründung dem Sachverständigengutachten nicht gefolgt sei. Die landgerichtliche Annahme, so trägt die Beklagte vor, dass ein Schleifen der Kupplung erst dann auftreten könne, wenn mit spürbarer Kraft die Federkraft der Kupplung zumindest teilweise überwunden werde, sei unrichtig, was sie unter Sachverständigenbeweis stelle. Wäre die Annahme des Gerichts des ersten Rechtszuges richtig, so würde es sich um einen werkseitigen Fehler handeln, der auch bei anderen baugleichen Fahrzeugen hätte auftreten müssen und zu einer Rückrufaktion des Herstellers geführt hätte.

Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 4.8.2006 (Blatt 121 f. d.A.) und des Schriftsatzes vom 22.2.2007 (Blatt 141. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 1.6.2006 verkündeten Urteils des LG Darmstadt die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, die in jedem Falle unbegründete Berufung stelle sich bereits als unzulässig dar, weil die Beklagte in ihren Ausführungen nicht erkennen lasse, auf welche fehlerhafte Rechtsanwendung sie sich berufen wolle. Der Kläger meint, weil innerhalb von sechs Monaten seit Kauf des Neufahrzeuges der Kupplungsschaden aufgetreten sei, gelte die gesetzliche Vermutung, dass der Schaden bereits bei Übergabe des Fahrzeuges an ihn vorhanden gewesen sei. Für die gegenteilige Behauptung der Beklagten, dass der Kupplungsschaden zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeuges an ihn nicht angelegt gewesen sei, sondern erst durch eine Fehlbedienung seinerseits entstanden sei, sei diese, nämlich die Beklagte, darlegungs- und beweisbelastet. Eine entsprechende Beweisführung sei der Beklagten nicht gelungen.

Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19.10.2006 (Blatt 130 f. d.A.) verwiesen.

Mit Senatsbeschluss vom 25.6.2007 ist der Rechtsstreit gem. § 526 ZPO dem Einzelrichter...

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