Verfahrensgang

AG Kassel (Urteil vom 09.03.2000; Aktenzeichen 510 F 403/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 9. März 2000 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts Kassel aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Kassel zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind seit dem 07.02.1960 miteinander verheiratet. In dem vom Antragsteller am 19.02.1999 anhängig gemachten Verfahren auf Scheidung ihrer Ehe stellte die Antragsgegnerin am 01.07.1999 den Antrag, ihr das alleinige Sorgerecht für die gemeinsamen minderjährigen Kinder M. und J. zu übertragen und am 13.01.2000 den bezifferten Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts einschließlich Krankenvorsorgebeitrag. Nachdem der Antragsteller am 27.01.2000 beantragt hatte, die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelichen Unterhalt gemäß § 623 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO abzutrennen, nahm die Antragsgegnerin den Sorgerechtsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2000 zurück. Im Gegenzuge stellte nunmehr der Antragsteller am 01.02.2000 Antrag zum Sorgerecht und beantragte nachfolgend am 09.02.2000 seinerseits, die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelichen Unterhalt abzutrennen und über den Scheidungsantrag und den Versorgungsausgleich zu entscheiden, denn insoweit sei das Verfahren entscheidungsreif.

Durch das angefochtene Verbundurteil, auf das zur näheren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Scheidung ausgesprochen und den Versorgungsausgleich geregelt, die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelichen Unterhalt gleichzeitig abgetrennt. Gegen das ihr am 23.03.2000 zugestellte Urteil hat die Antragsgegnerin am 25.04.2000 (Dienstag nach Ostern) Berufung eingelegt und diese am letzten Tage der bis zum 27.06.2000 verlängerten Frist begründet. Sie ist der Auffassung, der Antragsteller habe seinen Antrag zur Regelung der elterlichen Sorge nur deshalb gestellt, um dadurch die Möglichkeit der Abtrennung der beiden Folgesachen gemäß § 623 Abs. 2 ZPO zu eröffnen, er sei nämlich bisher damit einverstanden gewesen, dass die Kinder in der Obhut der Antragsgegnerin verbleiben. Sein Abtrennungsantrag sei rechtsmißbräuchlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Er legt im einzelnen dar, welche Gesichtspunkte dazu geführt hätten, dass er das elterliche Sorgerecht für beide Kinder nunmehr selber beanspruche, so dass sein Antrag auf Abtrennung keineswegs mißbräuchlich sei. Vielmehr habe die Antragsgegnerin den Sorgerechtsantrag aus prozesstaktischen Gründen zuvor zurückgenommen, um die Abtrennung insbesondere des Unterhaltsantrages zu vermeiden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Denn der Abtrennung der Folgesachen gemäß § 623 Abs. 2 ZPO steht unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles der Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs entgegen.

Grundsätzlich ist allerdings gemäß § 623 Abs. 2 ZPO das Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge auf Antrag eines Ehegatten aus dem Verbund abzutrennen. Dabei steht dem Gericht kein Ermessen zu „auf Antrag eines Ehegatten trennt das Gericht ab”). Nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann der Antragsteller dabei den Antrag auf Abtrennung der Sorgerechtssache mit dem Antrag auf Abtrennung der Ehegatten- und Kindesunterhaltssache verbinden. Auch gegen diese Abtrennung steht dem anderen Ehegatten kein Rechtsschutz zur Seite. Dabei darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass durch die in § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der seit dem 01.07.1998 maßgebenden Fassung vorgesehenen Abtrennung den Eltern die Möglichkeit gegeben werden soll, trotz des in § 623 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. angeordneten Entscheidungsverbundes bereits vor dem Scheidungsausspruch selbst eine Entscheidung über die elterliche Sorge zu erhalten. Damit soll in zeitlicher Hinsicht die Lücke geschlossen werden, die dadurch entstanden ist, dass die in § 1672 BGB a.F. vorgesehene Regelung der elterlichen Sorge für die Dauer des Getrenntlebens abgeschafft wurde (vgl. BT-Drs. 13/4899, Seite 121 ff.; Büttner FamRZ 98, 592; Miesen, Anm. zu AG Rastatt, FamRZ 2000, 167; OLG Bamberg FamRZ 99, 1434). Wenn das Gesetz auch in Kauf nimmt – was aus § 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu entnehmen ist – dass einmal abgetrennte Sorgerechts- und Unterhaltssachen auch über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus fortdauern können, darf seine Anwendung doch nicht zu einer Aushebelung der Schutzfunktion des § 628 ZPO führen. Das wäre aber dann der Fall, wenn durch die Abtrennung nach § 623 Abs. 2 ZPO alleine eine Beschleunigung des Scheidungsverfahrens bewirkt werden würde. Dann würde Rechtsmißbrauch vorliegen (vgl. dazu schon Büttner, a.a.O., Seite 592; OLG Bamberg, a.a.O., Seite 1435; Miesen, a.a.O.). Diese Gestaltung ist i...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge