Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Diesel-Skandal: Keine Gewährleistungsansprüche gegen Verkäufer eines Dieselfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung, wenn Mangel durch Software-Update behoben
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Käufer eines vom VW-Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeugs stehen gegen den Verkäufer keine Gewährleistungsansprüche zu, wenn die durch die unzulässige Abschalteinrichtung hervorgerufene Gefahr der Betriebsuntersagung durch ein vom Kraftfahrt-Bundesamt bestätitgtes Software-Update, das die Abschalteinrichtung löscht, entfällt.
2. Sofern der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Käufer behauptet, durch das Software-Update seien neue Mängel aufgetreten, reicht der Vortrag von Vermutungen und vagen Befürchtungen nicht aus.
Normenkette
BGB §§ 346-347, 437 Nr. 2, § 442; FZV § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 25.10.2018; Aktenzeichen 1 O 260/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.10.2018 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1) die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Gebrauchtwagen, der vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffen ist. Die Beklagte zu 2) nimmt er als Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Motors in Anspruch.
Der Kläger bestellte bei der Beklagten zu 1) - einer Audi-Vertragshändlerin - am 17.11.2016 einen gebrauchten Audi Typ1 ... mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, welcher von der Beklagten zu 2) hergestellt worden war. Die Erstzulassung des Fahrzeuges erfolgte am 9.7.2013. Am 24.11.2016 wurde der Wagen an den Kläger gegen Zahlung von 26.000,- EUR übergeben.
Am 22.9.2015 - mithin rund vierzehn Monate vor dem streitgegenständlichen Kauf - hatte die Beklagte zu 2) eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG mit folgendem Inhalt veröffentlicht:
"Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. [...] Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist. [...] Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. [...]".
Am selben Tag informierte der Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2) hierüber in einer Pressekonferenz.
Anfang Oktober 2015 informierte die Beklagte zu 2) ihr Händlernetz über die Softwareproblematik und wies die Händler an, alle Gebrauchtwagenkäufer über das Vorhandensein der Umschaltlogik aufzuklären (vgl. Anlage K 4, Bl. 24 d.A.). Sie richtete außerdem auf ihrer Homepage eine Internetseite ein, auf der jeder durch Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer überprüfen kann, ob das betreffende Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. Hierüber informierte die Beklagte zu 2) in einer Pressemitteilung vom 2.10.2015. Über die Internetseite wurde außerdem in zahlreichen Medien öffentlich berichtet. Der gesamte Abgasskandal war darüber hinaus ab September 2015 Gegenstand einer ausführlichen und umfangreichen Medienberichterstattung.
Nachdem von Kraftfahrt-Bundesamt am 20.12.2016 ein Software-Update freigegeben und der Kläger hierüber im Januar 2017 informiert worden war, ließ er an seinem Fahrzeug das Update im Februar 2017 durchführen.
Mit Schreiben vom 22.9.2017 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) auf, seine Gewährleistungsansprüche dem Grunde nach anzuerkennen, was diese ablehnte.
Mit der Klage hat der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie hilfsweise den Rücktritt erklärt. Er begehrt in der Hauptsache die Rückabwicklung des Kaufvertrages von der Beklagten zu 1). Gegen die Beklagte zu 2) als Herstellerin des Motors macht der Kläger deliktische Ansprüche geltend.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der streitgegenständliche Wagen sei mangelhaft. Aus dem Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.12.2015 ergebe sich, dass der Wagen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet war. Das Fahrzeug halte auch die in der VO (EG) Nr. 715/2007 vorgesehenen Richtwerte für den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen nicht ein. Es sei unerheblich, dass ein Software-Update aufgespielt worden sei. Er habe es zwangsweise aufspielen lassen, weil er eine Stilllegung des Wagens habe...