Normenkette
AktG §§ 93, 111, 116, 120, 131, 243, 255
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.11.2006; Aktenzeichen 3-4 O 68/06) |
Tenor
1. Zum Erfordernis der Eindeutigkeit eines Gesetzesverstoßes für die Annahme materieller Rechtswidrigkeit von Entlastungsbeschlüssen
2. Zum Auskunftsrecht des Aktionärs
Gründe
I. Die Klägerin, auch schon vor dem Zeitpunkt der Einladung zur Hauptversammlung Aktionärin der Beklagten, ficht Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.5.2006 an, durch die Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung erteilt wurde.
Die Beklagte hatte im Jahr 2000 auf den Hauptversammlungen ab 1997 beschlossene Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital durchgeführt, und zwar entsprechend der Ermächtigung unter Bezugsrechtsausschluss für die Alt-Aktionäre. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, dass diese Ermächtigung in missbräuchlicher Art und Weise ausgenutzt worden sei, weil zwei befreundete Unternehmen ("Amigos") Aktien der Beklagten zu einer unangemessenen niedrigen Gegenleistung erhalten haben sollen.
Im ebenfalls beim Senat anhängigen Verfahren 5 U 63/01 begehrt die Klägerin noch Feststellung der Nichtigkeit der entsprechenden Beschlüsse des Vorstandes und der Zustimmungsbeschlüsse des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats der Beklagten vom 1.9.2000, nachdem das LG die Klage als unzulässig abgewiesen, der Senat zunächst die Berufung mit Urteil vom 4.2.2003 zurückgewiesen und der BGH mit Urteil vom 10.10.2005 (- II ZR 90/03 Mangusta/Commerzbank II, BGHZ 164, 249) das Senatsurteil insoweit aufgehoben hat, als die Klage hinsichtlich sämtlicher Hilfsanträge als unzulässig abgewiesen worden ist.
Im Vorfeld der Hauptverhandlung der Beklagten des Jahres 2001 hatte eine Gruppe von Aktionären einen Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers gestellt, weshalb die Einladung (Anl. B 9 in ges. Band), auf die wie auf sämtliche weiteren nachfolgend bezeichneten Unterlagen verwiesen wird, zur damaligen Hauptversammlung die Ergänzung der Tagesordnung um die Punkte 11 bis 14 bekannt machte. Die Sonderprüfung sollte sich auf eine Fülle in der Einladung im Einzelnen ausformulierter Fragen beziehen. Noch vor der Hauptversammlung zog die Aktionärsgruppe ihren Antrag wieder zurück mit der Begründung, die erforderlichen Informationen von anderer Seite erhalten zu haben. In jener Hauptversammlung hatte die Beklagte den Aktionären ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. X zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kapitalerhöhungen vorgelegt (Anl. B 14 in ges. Band).
Auf der Hauptversammlung 2006 ließ sich die Klägerin von der Aktionärin A vertreten. In der Hauptversammlung stellte diese, die um 10.58 Uhr bei der Registrierung für das Abstimmungssystem erstmals als anwesend erfasst, als Vertreter der Klägerin um 11.40 Uhr registriert, sich um 12.53 Uhr erstmals zu Wort gemeldet hatte und um 16.48 Uhr als Rednerin aufgerufen worden war, eine Reihe in der Klageschrift aufgelisteter Fragen (Bl. 8 bis 12 d.A.), die in weiten Teilen mit denjenigen identisch sind, auf die sich der Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers gemäß Ergänzung der Einladung zur Hauptversammlung 2001 hätte beziehen sollen. Hierauf wies Frau A nicht hin.
Für die vom Vorstand gegebenen Antworten auf die von Frau A als nicht beantwortet beanstandeten Fragen wird auf die Klageerwiderung (dort S. 27 f., Bl. 187 bis 190 d.A.) verwiesen. Frau A erklärte Widerspruch zu notariellem Protokoll gegen die Entlastungsbeschlüsse hinsichtlich Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die von Frau A gestellten Fragen seien für einen objektiv urteilenden Aktionär für seine persönliche Entscheidung, ob er Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung erteilen wolle, ein nicht unwesentliches Beurteilungselement. Mit Ablauf des Jahres 2005 seien die Ansprüche der Beklagten gegen die ... auf Differenzhaftung verjährt, weshalb die gestellten Fragen zu den Kapitalerhöhungen des Jahres 2000 vom Vorstand, der mit Rücksicht auf die Entscheidung des BGH vom 10.10.2005 (Mangusta/Commerzbank II) auch mit Fragen zu diesem Themenbereich in der Hauptversammlung des Jahres 2006 habe rechnen müssen, hätten beantwortet werden müssen.
Demgemäß sei das Auskunftsrecht der Klägerin verletzt worden, was zur Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse berechtige. Wenn der Vorstand den Eintritt der Verjährung nicht abgewendet habe, habe er pflichtwidrig gehandelt und damit auch der Aufsichtsrat, der seiner Aufsichtspflicht ggü. dem Vorstand dann nicht entsprochen haben würde.
Die Klägerin hat beantragt,
a) die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.5.2006 zum Tagesordnungspunkt (TOP) 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands, für nichtig zu erklären,
b) die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.5.2006 zum TOP 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats, für nichtig zu erklären; hilfsweise, die Nichtigkeit der vorstehend genannten Beschlüsse festzustellen; höchst hilfsweise, die Unwirksamkeit...