Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des PKW-Fahrers für Sturz von Radfahrer nach Ausweichmanöver
Leitsatz (amtlich)
Weicht ein Radfahrer wegen eines entgegenkommenden PKW von dem befestigten Radweg auf den unbefestigten Seitenstreifen aus und stürzt er beim Wiederauffahren auf den Radweg, ist der Unfall der Betriebsgefahr des PKW zuzurechnen.
Normenkette
StVG § 7
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 2 sowie die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 20. Februar 2018, Az. 1 O 363/17, werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 12.436,55 EUR festgesetzt (Berufung der Beklagten zu 2: 6.138,27 EUR; Anschlussberufung des Klägers: 6.298,28 EUR).
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadensersatz, Feststellung der künftigen Ersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Bei dem Verkehrsunfall, der sich am 22. Juni 2016 ereignete, befuhr der Kläger mit seinem Fahrrad einen ca. 2 m breiten Radweg. Die Beklagte zu 1 kam ihm mit einem bei der Beklagten zu 2 versicherten Marke1 Typ1 entgegen. Die beiden Verkehrsteilnehmer fuhren ohne Berührung aneinander vorbei. Unmittelbar danach stürzte der Kläger vom Fahrrad und zog sich Verletzungen zu. Der Unfallhergang im Übrigen ist streitig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 141 bis 142 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und der Beklagten zu 1 sowie nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen und der Klage gegen die Beklagte zu 2 unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers überwiegend stattgegeben. Zum Grund der Haftung hat es die Auffassung vertreten, dass sich der Unfall bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeugs ereignet habe.
Der Unfall habe sich im nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Passiervorgang der Fahrzeuge ereignet. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Sturz des Klägers auf einer wegen des herannahenden PKW als notwendig erachteten - möglicherweise nicht zwingend nötigen - Ausweichbewegung beruhe. Der Kläger habe den Hergang plausibel so geschildert, dass er wegen der auf den Radweg herannahenden Beklagten nach rechts auf den unbefestigten Seitenstreifen ausgewichen und beim Wiederhochfahren auf den geteerten Radweg gestürzt sei. Das sei ohne weiteres in Einklang zu bringen mit der Schilderung der Beklagten zu 1, dass sie schon ein ganzes Stück weiter gefahren sei, als sie das scheppernde Geräusch und im Rückspiegel den auf dem Radweg liegenden Kläger wahrgenommen habe.
Weil der Radweg 2 bis 2,5 m breit und ein Marke1 Typ1 rund 1,75 m breit sei, sei offensichtlich, dass sich die schiere Masse und Größe des Kfz auf den Geschehensablauf ausgewirkt habe. Insoweit habe sich die typische Betriebsgefahr des Kfz realisiert. Bei dem Betrieb eines Kfz geschehen sei ein Unfall auch dann, wenn er unmittelbar durch das Verhalten des Verletzten ausgelöst werde, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Kfz des Inanspruchgenommenen (mit-) veranlasst worden sei.
Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs Marke1 Typ1 gerate nicht wegen höherer Gefahr oder schweren Mitverschuldens des Klägers in Wegfall. Die Einzelheiten des Unfallhergangs seien streitig. Die Darstellung des Unfallhergangs durch die unfallbeteiligten Personen habe keine Klärung des genauen Ablaufs ergeben.
Ein betriebsgefahrerhöhendes Verschulden der Beklagten zu 1 stehe ebenfalls nicht fest. Der Kläger sei für ein Verschulden der Beklagten zu 1 beweisfällig geblieben.
Der Anspruch des Klägers sei um 50 % zu kürzen, weil den Kläger ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe. Der Kläger hätte, anstatt dem Kfz auszuweichen, sein Rad anhalten und den Typ1 passieren lassen können. Jedenfalls hätte er nach dem Ausweichen ganz vorsichtig wieder auf die Fahrbahn des Radwegs auffahren, ggfls. dazu auch absteigen und das Rad auf den Radweg zurück schieben müssen. Die Abwägung des Fahrfehlers mit der Betriebsgefahr des Fahrzeugs führe zu einer hälftigen Haftungsverteilung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 143 bis 148 d.A. verwiesen.
Dagegen wendet sich die Beklagte zu 2 mit ihrer Berufung. Sie rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung und falsche Beweiswürdigung.
Im entscheidenden Detail sei der Schadenshergang nicht unstreitig. Es sei bestritten, dass der Kläger wegen der auf dem Radweg mit einem PKW herannahenden Beklagten zu 1 nach rechts auf den dort unbefestigten Seitenstreifen ins Grüne ausgewi...