Leitsatz (amtlich)
Die Aussage "kostenlos telefonieren" wird vom Verkehr nicht in dem Sinne wörtlich verstanden, dass für die Inanspruchnahme der beworbenen Telekommunikationsleistungen etwa überhaupt kein Entgelt zu entrichten sei. Vielmehr erkennt der Werbeadressat, dass zwar keine nutzungsabhängigen Gebühren, aber sehr wohl Grundgebühren anfallen, also eine "Flatrate" beworben wird.
Normenkette
UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.05.2006; Aktenzeichen 3-12 O 48/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 26.5.2006 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert.
Der Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 10.3.2006 wird hinsichtlich des ersten Unterlassungsausspruchs ("für ein Angebot, bei dem nur ... und/oder werben zu lassen") aufgehoben; insoweit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2 in Verbindung mit 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat hinsichtlich des ersten Teils des Unterlassungsantrags in der Sache Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Mit dem ersten Teil des Unterlassungsantrages wendet sich die Antragstellerin gegen die von der Antragsgegnerin verwendete Blickfangaussage "kostenlos telefonieren" mit der Begründung, die Werbung erwecke den irreführenden (§ 5 UWG) Eindruck, das beworbene Angebot umfasse auch Anrufe vom Festnetz in die Mobilfunknetze.
Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die angegriffene Blickfangwerbung aus der Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers noch keine abschließende Aussage darüber trifft, welche Arten von Telefongesprächen bei Inanspruchnahme des Angebots ohne besondere Berechnung geführt werden können, und der weitere Inhalt der Werbung in noch hinreichend klarer Form erkennen lässt, dass das Angebot nur Gespräche in das Festnetz umfasst.
Die Aussage "kostenlos telefonieren" wird im vorliegenden Fall vom Verkehr nicht in dem Sinne wörtlich verstanden, dass für die Inanspruchnahme der beworbenen Telekommunikationsleistungen etwa überhaupt kein Entgelt zu entrichten sei. Vielmehr erkennt der Werbeadressat, dass zwar keine nutzungsabhängigen Gebühren, aber sehr wohl Grundgebühren anfallen, also eine "Flatrate" beworben wird; davon geht auch die Antragstellerin aus. Wenn aber ein Pauschalentgelt in Form einer "Flatrate" erhoben wird, rechnet der verständige Durchschnittsverbraucher damit, dass nicht alle denkbaren Arten von Telefongesprächen ohne Rücksicht auf deren sonst übliche Kosten von dieser "Flatrate" erfasst werden. So geht er - unstreitig - nicht davon aus, etwa auch besonders teuere Auslandsgespräche ohne Zusatzkosten unbegrenzt führen zu können. Bei Gesprächen in die Mobilfunknetze ist einerseits zwar zu berücksichtigen, dass der Nutzer auch an solchen Gesprächen aus dem Festnetz ein erhebliches Interesse hat. Andererseits weiß er aber, dass diese Gespräche im allgemeinen immer noch deutlich teurer sind als Gespräche in das Festnetz; an dieser Verkehrseinschätzung haben die von der Antragstellerin belegten Versuche aus jüngster Zeit, das Mobiltelefonieren - auch preislich - als Alternative zum Festnetztelefonieren zu etablieren, nach Auffassung des Senats bisher noch nichts geändert. Schon im Hinblick auf dieses noch vorhandene Verkehrsverständnis stellen sich beim Werbeadressaten mindestens Zweifel ein, ob die streitgegenständliche Werbung auch Gespräche in die Mobilfunknetze umfassen soll. Darüber hinaus haben sowohl die Antragstellerin als auch andere Telefongesellschaften in der Vergangenheit regelmäßig "Flatrate"-Tarife angeboten, von denen nur Gespräche in das deutsche Festnetz abgedeckt wurden. Auf der anderen Seite haben Anbieter, deren "Flatrate" abweichend von dieser Praxis auch für Mobilfunkgespräche gilt, diesen Umstand - wie die Antragsgegnerin durch entsprechende Beispiele belegt hat - als Besonderheit herausgestellt. Diese bisherige Praxis hat zu einer gewissen Sensibilisierung der angesprochen Verkehrskreise dahin geführt, dass "Flatrates" zwar auch Gespräche in die Mobilfunknetze umfassen können, dass dies aber jedenfalls nicht zwingend der Fall ist.
Soweit das OLG Düsseldorf in der von der Antragstellerin als Anlage BE3 vorgelegten Entscheidung vom 30.5.2006 (20 U 33/06) die Verkehrsauffassung zu diesem Punkt im Rahmen des dortigen Eilverfahrens anders beurteilt hat, vermag sich der Senat dem jedenfalls auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im vorliegenden Eilverfahren nicht anzuschließen.
Ausgehend von dem genannten Verkehrsverständnis ist die beanstandete Blickfangwerbung daher im vorliegenden Fall allenfalls unklar bzw. unvollständig, wobei der Verkehr mit Hilfe des dem Blickfang hinzugefügten Sternchens und der weiteren Angaben, auf die diese...