Entscheidungsstichwort (Thema)
Identifizierende Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.05.2020; Aktenzeichen 2-03 O 3/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 2020, Az. 2-03 O 3/20, abgeändert.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 23. Januar 2020 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) ist der ehemalige Alleinvorstand des Verein1 Region Stadt1 e.V. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) berichtete in einem Artikel, der am XX.XX.2019 auf ihrer Webseite www.(...).de und in einer käuflich zu erwerbenden Printversion unter der Überschrift "Verein1 Region Stadt1 - (...)" veröffentlicht wurde, darüber, dass die Mitglieder des Verein1 Region Stadt1 e.V. in der turnusgemäßen Versammlung das Präsidium einstimmig aufgefordert hätten, sich von dem - namentlich nicht genannten - Vorstand zu trennen. Als Grund werden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit angegeben, wobei hinzugefügt ist, dass noch offen sei, ob tatsächlich Anklage erhoben werde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck des Artikels (Anlage ASt 2, Bl. 19 f. d.A.) und den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger, der zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt hat, es der Beklagten zu untersagen, über ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und / oder der Korruption identifizierend zu berichten, hat zuletzt beantragt, es der Beklagten zu untersagen, in identifizierbarer Weise durch seine Bezeichnung als Vorstand (des Verein1 Region Stadt1 e.V.) über eine Strafanzeige und/oder Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit zu berichten, wie in dem vorbenannten Artikel geschehen.
Das Landgericht hat dem Antrag des Klägers mit Beschluss vom 31. Januar 2020 stattgegeben und diesen mit dem angefochtenen Urteil bestätigt.
Dabei hat das Landgericht im Rahmen einer Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Klägers und des Berichterstattungsinteresses der Beklagten zu Gunsten der Beklagten zunächst berücksichtigt, dass der Kläger Vorstand eines großen Verbands des Verein1 gewesen sei, ein öffentliches Interesse an den hier streitgegenständlichen Vorgängen bestanden habe und es auch Aufgabe der Presse sei, solche Umstände aufzudecken und darüber zu berichten. Der dem Vorwurf gegen den Kläger zugrundeliegende Sachverhalt sei im Hinblick auf die Rechnungsstellung im Wesentlichen unstreitig. Der Verein1 Stadt1 und der Kläger hätten sich auch vor der Berichterstattung zu den Vorgängen geäußert, wenn auch unter dem Druck der bevorstehenden Berichterstattung. Die Beklagte dürfte die allgemeinen Grundsätze der Verdachtsberichterstattung im Grundsatz eingehalten haben und der Kläger sei nicht namentlich benannt.
Allerdings nehme der Kläger keine besonders hervorgehobene Rolle in der allgemeinen Öffentlichkeit wahr. Auch handele es sich bei dem Vorwurf nach § 299 StGB nur um ein Vergehen und sei der erlangte bzw. ersparte Vorteil mit 750,- EUR relativ gering, zumal sich der Kläger nicht persönlich bereichert habe. Das Ermittlungsverfahren sei gerade erst eingeleitet worden. Es habe auch keine Selbstöffnung des Klägers vorgelegen, der den Verlust seiner Vorstandsfunktion allerdings nicht der Beklagten anlasten könne. Jedoch seien die Folgen der streitgegenständlichen Vorwürfe für den Kläger einzubeziehen, falls sie sich als unbegründet erweisen sollten. Die Beklagte habe auch keine Hinweise und/oder Belegtatsachen dafür vorgetragen, dass der Kläger überhaupt gewusst habe, dass die Rechnung für die Reise nicht gestellt worden sei. Schließlich verlange der Kläger lediglich, dass nicht mehr über das Ermittlungsverfahren bzw. die Strafanzeige berichtet werde. Über den diesem zugrundeliegenden Sachverhalt dürfe die Beklagte weiter berichten; sie dürfe nur nicht mehr darüber berichten, dass bereits ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig sei.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie rügt die Interessenabwägung als rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht berücksichtige nicht, dass es in dem beanstandeten Artikel nicht ausschließlich darum gehe, über den Vorwurf eines möglichen strafbaren Verhaltens zu berichten. Vielmehr gehe es vorrangig darum, dass die Mitglieder des Regionalverbands Stadt1 des Verein1 in einer Mitgliederversammlung einstimmig die Abberufung des Vorstands des Regionalverbands gefordert hätten und dieser der Umsetzung der Forderung zuvorgekommen sei, indem er zurückgetreten sei. Über diese Ereignisse und die vorausgegangenen Geschehnisse lasse sich nicht sinnvoll berichten, ohne auch zu ...