Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindererlös aus Deckungsverkauf einer hochwertigen Geige (Unikat)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verkäufer kann den Ersatz des Mindererlöses aus einem Deckungsverkauf wegen mitwirkenden Verschuldens dann nicht verlangen, wenn er beim freihändigen Verkauf nicht sorgfältig verfahren ist, gegen Treu und Glauben verstoßen und die Belange des Käufers außer Acht gelassen hat.
2. Beim freihändigen Deckungsverkauf muss sich der Verkäufer nach Möglichkeit an den Bedingungen des gescheiterten Geschäfts orientieren.
3. Hochwertige Geigen aus dem 18. Jahrhundert sind keine marktgängigen Waren im Sinne von § 252 BGB, weshalb sich der Verkäufer nach Rücktritt vom Kaufvertrag im Rahmen einer abstrakten Schadensberechnung nicht auf die Vermutung aus § 252 BGB stützen kann.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 2-3, §§ 325, 323, 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1, §§ 254, 249, 252
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.11.2016; Aktenzeichen 2-20 O 375/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.11.2016 verkündete Urteil des LG Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2-20 O 375/15, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagen nach zwischenzeitlichem Rücktritt von einem Kaufvertrag über eine hochwertige italienische Violine, die Mitte des 18. Jahrhunderts in der Lombardei gefertigt wurde, Schadensersatz statt der Leistung.
Die Klägerin handelt mit hochwertigen Geigen. Der Beklagte wollte für seine Lebenspartnerin, eine professionelle Violinistin, eine hochwertige Geige erwerben.
Im Zusammenhang mit dem Streit um das (Fort-) Bestehen wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Kaufvertrag streiten die Parteien um das Zustandekommen eines Kaufvertrages über die als "feine und bedeutende italienische Violine Nr ... von A" (fortan: A) bezeichnete, dreifach zertifizierte Geige zum Kaufpreis von (brutto) EUR 190.000,00 sowie über die konkrete inhaltliche Ausgestaltung und den Fortbestand dieses Kaufvertrages unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Rückgabe der Geige durch den Beklagten an die Klägerin.
Die Klägerin veräußerte die Geige, deren Zustand und Wert nach Rückgabe unverändert waren, mittlerweile ausweislich der Rechnung vom 11.05.2016 anderweitig zu einem Preis in Höhe von (brutto) EUR 100.000,00 weiter, weshalb erstinstanzlich eine Umstellung der klägerischen Anträge in Verbindung mit einer übereinstimmenden Teilerledigungserklärung erfolgt ist, da die Klägerin anstelle der ursprünglich begehrten Kaufpreisforderung samt Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten nunmehr nur noch Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem im Rahmen des Weiterverkaufs tatsächlich erzielten Kaufpreis und dem mit dem Beklagten vereinbarten Kaufpreis in Höhe von EUR 190.000,00 begehrt. Die Weiterveräußerung der A zu einem deutlich unter ihrem Wert liegenden Preis war maßgeblich von ideellen Beweggründen motiviert. Im Zuge des Weiterverkaufs wollte die Klägerin unter anderem den Kaufinteressenten, einen Nachwuchskünstler, der den Originalpreis der A nicht hätte finanzieren können, fördern und dadurch eine auf Nachhaltigkeit angelegte, in der Zukunft potentiell lukrative Kundenbeziehung aufbauen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird verwiesen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Frankfurt, durch das die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden ist. Zur Begründung führt das LG aus: Zwischen den Parteien sei zwar ein Kaufvertrag über die A zustande gekommen. Mit der Rückgabe und der vorbehaltlosen Entgegennahme der A am 21.11.2015 sei der Kaufvertrag aber wieder aufgehoben worden, was auch durch die Quittung vom 21.11.2015 bestätigt werde. Unabhängig davon wäre ein Kaufpreisanspruch auch wegen subjektiver Unmöglichkeit untergegangen, denn die Klägerin habe die A anderweitig verkauft, ohne dass den Beklagten eine Verantwortung hierfür träfe. Der Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass nach den Verhandlungen mit den Anwälten und der vorbehaltlosen Rückgabe der A alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien erledigt seien. Ausweislich des von beiden Parteien unterzeichneten Dokuments über die A zum Preis von EUR 190.000,00 habe die Rückgabe zwar nur bis zum 31.10.2014 als auflösende Bedingung des Kaufvertrags erfolgen können, angesichts der Verhandlungen der anwaltlich vertretenen Parteien habe der Beklagte aber unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben von einer Verlängerung der Rückgabefrist ausgehen dürften.
Hiergegen wendet sich die Klägerin ...