Leitsatz (amtlich)
1. Tritt der Kläger Beweis für den Hergang eines Unfalls durch Zeugenvernehmung an, muss das Gericht im Regelfall erst eine Beweisaufnahme durchführen, bevor es aufgrund sonstiger Indizien von einer Manipulation ausgeht.
2. Unterlässt das erstinstanzliche Gericht jegliche Beweisaufnahme und hört sich nicht die Parteien an, liegt ein zur Zurückverweisung führender erheblicher Verstoß gegen Art. 103 GG vor.
Normenkette
ZPO §§ 286, 538; GG Art. 103
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 23.12.2009) |
Tenor
Das Urteil des LG Darmstadt vom 23.12.2009 wird aufgehoben. Die Sache wird an das LG Darmstadt zur weiteren Verhandlung und Beweisaufnahme zurückverwiesen.
Die durch die Berufung entstandenen Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der landgerichtlichen abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Inhaber einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Er macht Schadensersatz aus einem von ihm behaupteten Unfallereignis vom ...2008 geltend. Nach dem Klägervortrag befuhr Herr AB an diesem Tag mit einem gemieteten Transporter das Firmengelände des Klägers. Aus Unaufmerksamkeit fuhr er mit seinem Transporter beim rückwärtigen Rangieren in einer Halle gegen ein Abgas-Untersuchungsgerät sowie gegen ein Achsvermessungsgerät. Das Abgas-Untersuchungsgerät fiel sodann aufgrund des Zusammenstoßes in eine Montagegrube in der Halle.
Der Kläger verlangt Schadensersatz für beide Geräte. Zum Beweis des Unfallhergangs hat er sich auf den Zeugen Z1, ein Sachverständigengutachten sowie das Zeugnis der ermittelnden Polizeibeamten berufen.
Bereits in der Vergangenheit war es zu verschiedenen Unfällen beziehungsweise Schädigungen zwischen dem Kläger, Herrn C und sowie anderen Beteiligten gekommen. Herr C war insoweit auch als Rechtsanwalt in die Unfallregulierung eingeschaltet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG Darmstadt Bezug genommen. Das LG hat nach mündlicher Verhandlung, zu der der Kläger allerdings nicht geladen wurde, die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der klägerische Vortrag zum äußeren Geschehen des Unfallereignisses als wahr unterstellt werden könne. Nach den übrigen Umständen könne allerdings ausgegangen werden, dass es sich um ein manipuliertes Unfallereignis gehandelt habe. Die Vielzahl unstreitiger Manipulationsindizien reiche für die Annahme eines Anscheinsbeweises aus, den der Kläger nicht habe erschüttern können. Bei dem Schädigerfahrzeug habe es sich um ein Mietfahrzeug gehandelt, bei dem Unfallereignis hätten sich die Beteiligten selbst keiner Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt und der Kläger habe auf Gutachtenbasis abgerechnet. Außerdem liege eine unstreitige Häufung von Unfallereignissen zwischen den beteiligten Personen und Dritten, die ebenfalls mittelbar Beteiligte waren, vor. Es widerspräche jeglicher Lebenserfahrung, dass in einem Zeitraum von vier Jahren in wechselnden Rollen und Paarungen insgesamt vier Verkehrsunfälle, zwei Fahrzeugschäden und ein Betriebsschadensfall verursacht worden sein könnten.
Der Kläger habe angesichts dieses Anscheinsbeweises keine Beweisangebote hinsichtlich der subjektiven Motivation der Beteiligten unterbreitet.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit der er rügt, dass das LG seinen Beweisangeboten nicht nachgekommen sei, eine besondere Häufung von Unfallereignissen nicht vorliege und ein Hinweis des LG hinsichtlich der Frage einer besonderen subjektiven Motivation nicht erfolgt sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Darmstadt vom 19.12.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.588,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.4.2009 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 151,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.8.2009 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 859,80 EUR bezüglich außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.4.2009 zu zahlen; hilfsweise, das Urteil des LG Darmstadt vom 23.12.2009 aufzuheben und die Sache an eine andere Kammer des LG Darmstadt zur Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und führte erneut zahlreiche Verkehrsunfälle auf, die im Zusammenhang mit Herrn DE geschehen seien, der wegen Betrugs im Rahmen von Unfallverursachungen rechtskräftig verurteilt worden sei.
II. Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.
Auf den Antrag des Klägers hin ist das angefochtene Urteil nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und an das LG zurückzuverweisen, denn das Verfahren im 1. Rechtszu...