Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses für Unterlassungsklage wegen vorausgehender einstweiliger Verfügung, wenn Anspruch über Gegenstand des Eilverfahrens hinausgeht
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.09.2021; Aktenzeichen 2-03 O 424/20) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.9.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt, 3. Zivilkammer, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Gründe
I. Der Kläger, Sohn von Vorname1 X und Vorname2 X, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildnisses in Anspruch, welches die Beklagte am 13.11.2019 in der Zeitschrift "Zeitschrift1" im Rahmen eines Berichts mit dem Titel "(...)" (Anlage K 2) veröffentlicht hat.
Die Beklagte wendet gegen den Unterlassungsanspruch in erster Linie ein, dass für den Anspruch kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Kläger bereits über einen Unterlassungstitel betreffend die Veröffentlichung desselben Bildes aus einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren verfügt habe, welche den hiesigen Verstoß als kerngleiche Veröffentlichung mitumfasse. Dasselbe Bildnis war nämlich von der Beklagten gleichfalls am 13.11.2019 im Rahmen eines Berichts in der Zeitschrift "Zeitschrift2" mit dem Titel "(...)" (Anlage B 5) veröffentlicht worden. Der Kläger hat in einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (2-03 O 542/19) am 18.5.2019 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der die Beklagte zur Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des Bildnisses verurteilt worden ist, wenn dies wie in jenem Bericht in der "Zeitschrift2" vom 13.11.2019 erfolgt. Die Beklagte hat diese Verfügung als für sich verbindlich anerkannt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ein Rechtsschutzbedürfnis bejaht, weil das Bild in unterschiedlichen Berichterstattungen, nämlich mit verschiedenem Textbericht, erfolgt sei und deshalb unterschiedliche Streitgegenstände gegeben seien. In der Sache hat es den Anspruch deshalb als begründet angesehen, weil die Themen des Textberichts keinen Bezug zu dem Kläger hätten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiter die Abweisung der Klage erstrebt.
Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe über die Frage befinden müssen, ob es für den geltend gemachten Anspruch an der erforderlichen Wiederholungsgefahr und somit an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle, nachdem bei Klageerhebung mit der anerkannten einstweiligen Verfügung des Landgerichts in dem Verfahren 2-03 O 542/19 bereits ein rechtskräftiger Unterlassungstitel vorgelegen habe.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Berichterstattung des jenem Beschluss zugrundeliegenden Artikels die Betrugsvorwürfe gegen den Vater des Klägers zum Gegenstand gehabt hätten und diese auch Gegenstand des hiesigen Artikels in der "Zeitschrift1" seien. Der hiesige Bericht enthalte zwar weitere, nämlich die Mutter von Vorname1 X betreffende Mitteilungen. Das Landgericht gehe aber aufgrund dieser zusätzlichen Mitteilungen zu Unrecht davon aus, dass die beiden Verbote nicht kerngleich seien. Die Beklagte verweist erneut auf die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.6.2009 (NJW 2009, 2823). Sie legt die in jenem Verfahren abgegebene Unterlassungsunterwerfungserklärung vor (Anlage BK 1). Das Oberlandesgericht Hamburg als Vorinstanz (Urteil Anlage BK 2) habe damals das Verbot des veröffentlichten Bildnisses als schlechthin untersagt begriffen, also nicht beschränkt auf einen bestimmten Kontext der Berichterstattung. Demgegenüber habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass zu prüfen sei, ob und inwieweit das auf eine konkrete Verletzungsform beschränkte Unterlassungsgebot nach den Grundsätzen der auch im Bildnisrecht anzuwendenden Kerntheorie vor einer Verwendung des Bildnisses im Rahmen anderer Veröffentlichungen schütze. Dies sei nach Auffassung des BGH der Fall, wenn die enthaltenen Mitteilungen des vorangehenden Berichts "sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Berichterstattung unter Beifügung des Fotos" seien.
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Die Beklagte stellt die das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vaters des Klägers betreffenden Passagen beider Berichte gegenüber und meint, die Mitteilungen um die verspätete Vermögensoffenlegung im Stadt1er Insolvenzverfahren seien sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand beider Berichterstattungen. Dass noch weitere Mitteilungen betref...