Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsunfall: Gebot der wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung bei Auswahl des Sachverständigen

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 07.12.2022; Aktenzeichen 2 O 38/22)

 

Tenor

Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Dezember 2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen (Az.: 2 O 38/22) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.569,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Kläger 39 % und die Beklagte 61 % tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahren hat der Kläger 62 % und die Beklagte 38 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht weitere Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis geltend, der sich am 28. September.2021 auf der ... in Stadt1 ereignete und bei dem das klägerische Fahrschulfahrzeug beschädigt wurde.

Als Inhaber der Fahrschule A ist der Kläger Halter und Leasingnehmer des Fahrzeugs Marke1 Modell1 mit dem amtlichen Kennzeichen .... Er ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Bei der Beklagten handelt es sich um den Haftpflichtversicherer des unfallgegnerischen Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ....

Am Unfalltag fuhr der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs auf das an einer "rot" zeigenden Lichtzeichenanlage auf das klägerische Fahrzeug, das von der Zeugin B geführt wurde.

Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro "www.(...).de" mit der Berechnung zur Schadensregulierung, das für das Gutachten vom 30. September 2021 einen Betrag von 1.105,60 EUR netto berechnete. Den Rechnungsbetrag schlüsselte der Sachverständige wie folgt auf:

Gutachten (Grundgebühr)

987,00 EUR

Fahrtkostenpauschale

30,00 EUR

Lichtbilder, 17 Stück × 2,00 EUR

34,00 EUR

Schreibkosten, 7 Seiten × 1,80 EUR

12,60 EUR

Desinfektionspauschale

20,00 EUR

Telekommunikationspauschale

15,00 EUR

Postversand / Porto

7,00 EUR

Rechnungsbetrag netto

1.105,60 EUR

Das Gutachten wies einen Nutzungsausfall von 5 Tagen à 59,- EUR, insgesamt 177,- EUR, eine Wertminderung von 1.300,- EUR mit dem Zusatz "MwSt nicht ausweisbar" sowie einen Fahrzeugschaden in Höhe von 9.927,45 EUR aus. Auf dieser Grundlage wurde das streitgegenständliche Fahrzeug repariert. Die tatsächlichen Reparaturkosten beliefen sich auf 7.935,17 EUR netto.

Entgegen der im Gutachten prognostizierten Reparaturdauer von fünf Tagen befand sich das klägerische Fahrzeug wegen Lieferzeiten von Ersatzteilen für einen Monat, konkret in der Zeit vom 28. September 2021 bis zum 28. Oktober 2021, in der Werkstatt.

Ausweislich des von der Werkstatt erstellten Reparaturablaufplans (Anlage 21) erfolgte die Schadensbegutachtung am 28. September 2021. Die Reparatur begann am 30. September 2021. Am 27. Oktober 2021 erfolgte eine vorläufige Endmontage, woraufhin der Kläger das Fahrzeug am 28. Oktober 2021 abholte. Nachdem ein fehlendes Ersatzteil am 26. November 2021 geliefert worden war, wurden an dem streitgegenständlichen Fahrzeug am 6. Dezember 2021 die Abschlussarbeiten vorgenommen.

Für den Zeitraum vom 28. September 2021 bis 28. Oktober 2021 mietete der Kläger von der Fahrschule C ein Fahrschulersatzfahrzeug mit Automatikgetriebe an, für welches Mietwagenkosten in Höhe von 5.560,70 EUR entstanden (Anlage K7). Dieser Betrag setzt sich aus einem täglichen Mietpreis von 92,50 EUR für 27 Tage, einem Kilometerpreis von 0,64 EUR für 4.630 km sowie einer "Anlieferung / Abholpauschale" von 100,- EUR (27 × 92,50 EUR + 0,64 EUR × 4.630 km + 100,- EUR) zusammen.

Der Kläger hat behauptet, die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit Automatikgetriebe sei erforderlich gewesen, weil für die Erzielung der neu eingeführten Führerscheinklasse B 197 Fahrschüler Fahrstunden mit einem Automatikfahrzeug zu absolvieren hätten. Die Zeugin B habe als Fahrlehrerin eine entsprechende Auslastung mit dem Ersatzfahrzeug gehabt. Die im Vergleich zum Gutachten tatsächlich längere Reparaturdauer habe auf Lieferschwierigkeiten der erforderlichen Ersatzteile beruht.

Er hat die Auffassung vertreten, die Wertminderung sei nicht nur zum Nettobetrag wie von der Beklagten vorgerichtlich gezahlt auszugleichen, sondern zum Bruttowert zu ersetzen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG finde keine Anwendung, da zum Zeitpunkt des Schadenseintritts die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen würden; es sei lediglich Schadensrecht anwendbar.

Seinen materiellen Scha...

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