Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit des Widerrufs zum Darlehensvertrag für Fahrzeugkauf
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 10.12.2020; Aktenzeichen 9 O 812/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 10.12.2020, Aktenzeichen 9 O 812/20, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz festgesetzt auf EUR 23.790,00.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines allgemeinen (Verbraucher-) Darlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossen wurde.
Der Kläger unterzeichnete am 23.03.2016 einen "Privat-Kredit-Vertrag" Darlehensantrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von EUR 19.760,00, der zur Finanzierung eines gebrauchten (Erstzulassung: 15.10.2012) PKW A diente, den der Kläger zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 23.790,00 bei einem gewerblichen Autohändler unter Anzahlung von EUR 4.000,00 erworben hatte. Über die gesamte Vertragsdauer war ein gebundener Sollzinssatz von 4,88 % p. a. vereinbart, wobei insgesamt 59 Monatsraten zu je EUR 300,00 und eine Schlussrate in Höhe von EUR 5.206,42 zu entrichten waren. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch hinsichtlich der Darlehensbestimmungen, wird auf den Darlehensvertrag (Anlage K1, Bl. 11 12R d. A.) Bezug genommen, insbesondere auch in Bezug auf die Widerrufsinformation (Bl. 12R d. A.).
Mit Schreiben vom 21.12.2018 (Anlage K2, Bl. 13 d. A.) erklärte der Kläger den Widerruf seines Darlehensvertrages und erklärte in Bezug auf zukünftige Zahlungen einen Vorbehalt. Die Beklagte wies den Widerruf außergerichtlich gegenüber dem ihr in der Widerrufserklärung benannten Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 04.01.2019 (Anlage K3, Bl. 14 d. A.) zurück.
Mit Schreiben vom 12.04.2019 (Bl. 30 d. A.) bezifferte die Beklagte gegenüber dem Kläger im Rahmen des "Angebot Nr. 1" den Ablösebetrag des Kredites zum 14.05.2019 auf EUR 2.377,76. Voraussetzung für die Ablösung sei, "dass alle fälligen Raten bis einschließlich 14.05.2019 bezahlt werden". Nach unbestrittenem Beklagtenvorbringen leistete der Kläger den offenen Betrag vorbehaltlos, woraufhin die Beklagte dem Kläger den Fahrzeugbrief übermittelte.
In der Folgezeit hat der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche aus dem Widerruf außergerichtlich nicht weiterverfolgt, insbesondere nicht im Rahmen eines außergerichtlichen Tätigwerdens eines Rechtsanwalts (klargestellt durch Schriftsatz vom 14.09.2020, Bl. 44f (45) d. A.). Der Rechtsstreit ist mit Schriftsatz vom 21.04.2020, eingegangen vorab per Fax am 21.04.2020 (Bl. 1 d. A.), anhängig gemacht worden. Die Zustellung der Klageschrift ist am 25.06.2020 (Bl. 19 d. A.) erfolgt.
Vorterminlich hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.01.2022 erklärt, das streitgegenständliche Fahrzeug im Januar 2021 an einen weder zur (Rück-) Übertragung des Besitzes noch zur (Rück-) Übereignung bereiten Dritten, B Autohandel, mit einer Gesamtlaufleistung von km 266.000,00 zu einem Preis in Höhe von EUR 6.800,00 verkauft, übergeben und übereignet zu haben gem. KFZ-Kaufvertrag vom 24.01.2021 (Anlage BK1).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge wird verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 10.12.2020, Aktenzeichen 9 O 812/20, (Bl. 61 - 60 d. A), durch das die Klage abgewiesen worden ist, weil die Widerrufserklärung erst nach Ablauf der Widerrufsfrist abgegeben worden sei. Die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragskurkunde enthalt die notwendigen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB. Auf § 356b Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 11.03.2016 könne sich der Kläger vorliegend nicht berufen. Es sei davon auszugehen, dass die Vertragsurkunde alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalte, zumal dem klägerischen Vortrag nicht entnommen werden könne, welche der Pflichtangaben dem Kläger nicht erteilt worden seien. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, Anlagen nach eventuell fehlenden Pflichtangaben zu durchsuchen.
Die Beklagte habe unbestritten vorgetragen, dass die erteilte Belehrung vollständig dem vom deutschen Gesetzgeber erstellten Musterformular entspreche, so dass der Beklagten der gesetzliche Musterschutz zukomme. Tatsachen, aus denen sich vorliegend die Unanwendbarkeit des Musterschutzes ergeben könnte, habe der Kläger nicht vorgetragen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne, komme der Entscheidung des EuGHs vom 26.03.2020, ...