Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Befugnis des Fernwärmeversorgers zur einseitigen Änderung von Preisänderungsregelungen

 

Normenkette

AVBFernwärmeV § 4; BGB § 145; UWG § 5

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 05.10.2017; Aktenzeichen 16 O 110/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.04.2020; Aktenzeichen I ZR 85/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5.10.2017 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte ist ein Fernwärmeversorger mit Sitz in Stadt1. Sie bezieht ihre Wärme zu 100 % auf Grundlage eines Wärmebezugsvertrages von der Firma1 AG.

Die Beklagte schloss mit ihrem Kunden A unter dem 14.03.1999 einen Wärmeliefervertrag ab (Anlage K2). Der Vertrag sieht nach seiner Ziff. 4 eine Laufzeit bis zum 31.3.2009 vor. Er verlängert sich jeweils um 5 Jahre, sofern er nicht spätestens 12 Monate vor Ablauf gekündigt wird. Nach Ziff. 3 sind Bestandteil des Vertrages die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV), das Preisblatt zum Fernwärmelieferungsvertrag sowie die Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AGB). Nach Ziff. 2 der AGB kann die Beklagte eine Preisanpassung mit Wirkung des auf die Veröffentlichung folgenden Monats verlangen, sollten sich während der Vertragslaufzeit die allgemeinen wirtschaftlichen und technischen Verhältnisse ändern, durch welche die Preisvereinbarungen des Vertrages begründet sind.

Das Preisblatt sah unter Ziff. 5 eine Preisanpassungsklausel vor, wonach der Grundpreis und der Arbeitspreis zum 1. Juli und zum Ende der Abrechnungsperiode nach einer bestimmten Formel angepasst werden können.

Unter dem 23.9.2015 versandte die Beklagte an ihre Kunden, auch an den Kunden A, ein Rundschreiben, wonach zum 1.10.2015 ein neues Preissystem gemäß öffentlicher Bekanntmachung in Kraft trete (Anlage K1). Das neue Preissystem sah unter anderem eine neue Preisanpassungsklausel für die Grundpreisanpassung und die Arbeitspreisanpassung vor. Es wurde im September 2015 in der "Zeitschrift1" sowie in der "Zeitschrift2" bekannt gegeben.

Der klagende Verbraucherschutzverband ist der Auffassung, dass die einseitig vorgenommene Änderung der Preisänderungsregelung unwirksam sei, und nimmt die Beklagte deswegen unter dem Gesichtspunkt der Irreführung der angeschriebenen Verbraucher auf Unterlassung in Anspruch. Weiter verlangt er die Versendung von Berichtigungsschreiben an die Empfänger der Schreiben gemäß Anlage K 1 sowie die Erstattung einer Abmahnpauschale. Die Klageschrift wurde am 21.9.2016 zugestellt.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO), mit dem das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt hat,

a) es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern den Eindruck zu erwecken, dass in laufenden Wärmelieferungsverträgen einseitig durch die Beklagte eine Änderung der Preisänderungsregelung vorgenommen werden kann, wenn dies geschieht wir in der Anlage K 1 wiedergegeben;

b) den Empfängern der Schreiben mit dem in Anlage K 1 wiedergegebenen Inhalt ein Berichtigungsschreiben zu senden, in dem die Verbraucher darüber informiert werden, dass die im Schreiben mitgeteilte Änderung der Preisänderungsregelung unwirksam ist;

c) an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.9.2016 zu zahlen.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das angegriffene Schreiben enthalte schon keine nachprüfbare Angabe im Sinne von § 5 UWG, da die Frage der Befugnis zur einseitigen Änderung einer Preisänderungsklausel zumindest rechtlich umstritten sei. Im Übrigen sei sie zur einseitigen Änderung der Preisänderungsregelung befugt gewesen; dies ergebe sich insbesondere aus der Regelung des § 4 II AVBFernwärmeV . Sie sei auch auf die Möglichkeit zur kurzfristigen Änderung des Preissystems angewiesen, um auf Änderungen in der Kostenstruktur reagieren zu können. Außerdem wiederholt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die Klageansprüche seien auch nicht verjährt; dem Kläger sei das Schreiben an Herrn A am 13.3.2016 übersandt worden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Streitgegenstand des Verfahrens...

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