Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsverstoß durch Vertrieb sicherheitsgefährdender Garagentorantriebe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 3 I ProdSG ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG.

2. Der Vertrieb eines Garagentorantriebs verstößt gegen § 3 I ProdSG, wenn die Gebrauchsanleitung eine Einstellmöglichkeit vorsieht, bei deren Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen gefährdet wird, und wenn auf diese Gefährdung in der Gebrauchsanleitung nicht deutlich hingewiesen wird.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11; ProdSG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.02.2014; Aktenzeichen 2-6 O 419/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.2.2014 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,

a) geschäftlich handelnd Garagentorantriebe in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben und/oder zur Verwendung abzugeben, sofern diese die in den jeweils einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445) in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschreiten, wie geschehen bei dem Antrieb A;

und/oder

b) geschäftlich handelnd auf Garagentorantrieben eine CE Kennzeichnung anzubringen oder anbringen zu lassen, wenn die gemäß der jeweils einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445) in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschritten werden, wie geschehen bei dem Antrieb A.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.780 EUR nebst Zinsen Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.7.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über die Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für Garagentorantriebe. Die Klägerin stellt her und vertreibt sowohl Antriebe als auch komplette Toranlagen. Die Beklagte beschränkt sich auf Antriebstechnik nebst Zubehör. Sie stellt u.a. den Antrieb "A" her, der mit einem CE-Kennzeichen versehen ist. Sie vertreibt den Antrieb in Deutschland über ein Fachhändlernetz. Er wird jedoch auch von Händlern auf Internetplattformen an Endverbraucher vertrieben. Der Antrieb kann u.a. in Verbindung mit den Toren der Klägerin eingesetzt werden. Das Produkt wurde vom TÜV ... nach den Normen DIN EN 60335-1: 2012 und DIN EN 60335-2-95:2004 überprüft und zertifiziert (Anlage B3). Die Beklagte gibt für das Produkt eine als "Gebrauchsanleitung" bezeichnete Installationsanleitung sowie eine Bedienungsanleitung heraus (Anlage K6). Nach der Gebrauchsanleitung (S. 7) kann die Sensibilität der Hinderniserkennung des Antriebs gegenüber der werkseitig vorgegebenen Standardeinstellung in 4 verschiedenen Stufen von "sehr sensibel" bis hin zu "sehr wenig sensibel" verändert werden. Die textliche Beschreibung der verschiedenen Stufen ist mit folgender Anmerkung versehen:

"Wenn diese Einstellung geändert wird, muss unbedingt eine Belastungsmessung wie am Ende der Montage durchgeführt werden."

Die Klägerin ließ einen Antrieb der Beklagten "A" nach Einbau in ein Garagentor aus dem Hause der Klägerin von dem Institut B GmbH auf Einhaltung der DIN-EN 12453 überprüfen. Das Institut kam nach Änderung der Standardeinstellung auf die Stufe 1 ("sehr wenig sensibel") zu dem Ergebnis, dass die zulässigen Grenzwerte für die Betriebskräfte an den Messpunkten des Garagentores und die Einwirkzeiten bis zur Reversierung deutlich überschritten werden. Das Institut sah daher die Anforderungen aus der DIN-Norm als nicht erfüllt an (Anlage K5).

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Garagentorantriebe zu vertreiben, sofern diese die in den jeweils einschlägigen technischen Normen in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschreiten, sowie auf solchen Antrieben eine CE-Kennzeichnung anzubringen. Außerdem hat sie Erstattung der Abmahnkosten verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Anträge wird auf das Urteil des LG Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Vorgaben in d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?