Leitsatz (amtlich)
1. Leistungsbeschreibungen sind bei öffentlichen Ausschreibungen vergleichbar Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aus der Sicht der möglichen Bieter als Empfängerkreis auszulegen. Dabei kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung für die Auslegung besondere Bedeutung zu. Nicht ausgesprochene Einschränkungen des Wortlauts können nur Berücksichtigung finden, wenn sie von allen gedachten Empfängern so verstanden werden mussten. Zur Leistungsbeschreibung zählen Baubeschreibung, Leistungsverzeichnis einschließlich abstrakter Vorbemerkungen, Bauzeichnungen, Probestücke usw.
2. Die Formulierung "Gebrauchsüberlassung und Vorhaltung bis 20 Wochen über die Grundeinsatzzeit hinaus" schließt erkennbar an die DIN 18451 (Gerüstarbeiten) an.
3. Eine vorvertragliche Pflichtverletzung ist gegeben, wenn die Beklagte das unrichtige Verständnis der Klägerin von den Grundpositionen des Leistungsverzeichnisses in deren Angebot erkannt und ihr gleichwohl den Zuschlag erteilt hat.
Normenkette
VOB/A §§ 9, 25
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.04.2005; Aktenzeichen 2-18 O 560/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das am 18.4.2005 verkündete Urteil des LG Frankfurt - 18. Zivilkammer - werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 93 % und die Beklagte 7 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe erbringt. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte nach Erteilung einer Schlussrechung auf restliche Vergütung aus einem Vertrag über die Stellung von Gerüsten für Bauarbeiten bei der Sanierung eines Schwimmbades in Anspruch.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das LG hat der in erster Instanz auf Zahlung von 208.322,10 EUR gerichteten Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Z1 i.H.v. 13.641,60 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Hinsichtlich des zugesprochenen Teils hat es die von der Beklagten bei der Position 1.1.20090 der Schlussrechung vorgenommene Kürzung i.H.v. 13.641,60 EUR für unberechtigt erachtet, weil die Klägerin unstreitig vier weitere Geräte (Arbeitsbühnen, Teleskopgeräte) zur Verfügung gestellt habe. Nach der Leistungsbeschreibung sei unerheblich, ob und wie lange die Geräte genutzt und ob sie früher zum Abtransport freigegeben wurden.
Zur Begründung der Klageabweisung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt:
Zusätzliche Lohnkosten für die Bodenabdeckung (Pos. 1.1.20020) könne die Klägerin nicht verlangen, weil zum einen ein Einheitspreis vereinbart sei und die von der Klägerin vergessenen Lohnkosten als Kalkulationsirrtum unbeachtlich seien. Zum anderen habe der Zeuge Z1 für eine abweichende Vereinbarung zu Lasten der Beklagten keine Vollmacht gehabt.
Für die Gerüst-Positionen, in denen die Klägerin Vergütung für die Vorhaltung über eine Grundzeit von 4 Wochen hinaus berechne, sei der Anspruch nicht begründet, weil nach dem eindeutigen Inhalt der Grundpositionen im Leistungsverzeichnis die Vergütung schon für 24 Wochen fest vereinbart sei. Soweit allein in der Position 1.1.40 eine solche Angabe fehle handele es sich nach dem Zusammenhang mit den anderen Positionen um ein erkennbares Versehen.
In Höhe von 2.000 EUR sei der Anspruch durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Ersatzanspruch wegen Beschädigungen erloschen, weil der Zeuge Z1 eine Ausgleichsvereinbarung der Parteien in dieser Höhe bestätigt habe.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerin mit der Berufung und die Beklagte mit ihrer Anschlussberufung.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre Klage lediglich i.H.v. insgesamt 206.322,10 EUR weiter und nimmt die Abweisung um 2.000 EUR wegen des von der Beklagten aufgerechneten Schadensersatzanspruches hin.
Sie vertritt zunächst die Auffassung, dass es sich bei den Leistungsbeschreibungen des Leistungsverzeichnisses der Beklagten um Preisnebenabreden handele, die der Unklarheitenregel des AGBG unterliegen. Sie wiederholt ihre bereits erstinstanzlich vorgetragene Auffassung, dass ein durchschnittlicher Bieter die Formulierung der Leistungszeit in den Grundpositionen dahin habe verstehen müssen, dass nur eine Grundeinsatzzeit der Gerüste von vier Wochen gemeint sei (Beweis: Sachverständigengutachten). Dies ergebe sich insb. aus dem Anschreiben der Ausschreibung, woraus sich eine Bauzeit von 17-18 Wochen ergebe und dem Terminplan der Beklagten für die Bauarbeiten. Wegen des Inhalts dieser Unterlagen wird auf die Anlage BB 1 (Bl. 412 ff. ...