Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterliche Unabhängigkeit; Voraussetzungen für die Verwaltung des EDV-gestützten Richterarbeitsplatzes
Leitsatz (amtlich)
Die Verwaltung eines zentralen EDV-Netzes, an welches der Arbeitsplatz von Richtern angeschlossen ist, durch Behörden der Exekutive unter der Fachaufsicht des Justizministers beeinträchtigt nur dann nicht die richterliche Unabhängigkeit, wenn die Behandlung von Dokumenten des richterlichen Entscheidungsprozesses zum Schutz vor einer Kenntnisnahme durch Dritte schriftlich geregelt und deren Einhaltung durch den Minister der Justiz im gleichberechtigten Zusammenwirken mit gewählten Vertretern der Richterschaft überprüft werden kann.
Normenkette
DRiG § 26 Abs. 3; GG Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 92, 97 Abs. 1; RIG HE § 50 Nr. 4 Buchst. f
Verfahrensgang
Hessisches Dienstgericht (Urteil vom 11.07.2008) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsteller wird das am 11.7.2008 verkündete Urteil des Hessischen Dienstgerichts für Richter bei dem LG Frankfurt/M. abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Überlassung der Verwaltung des EDV-Netzes der Hessischen Justiz für den Rechtsprechungsbereich an die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) unzulässig ist solange nicht die Art der Behandlung von Dokumenten des richterlichen Entscheidungsprozesses durch die HZD für den Rechtspflegebereich durch Verwaltungsvorschriften seitens des Ministeriums der Justiz konkret festgelegt und deren Einhaltung durch den Minister der Justiz im gleichberechtigten Zusammenwirken mit gewählten Vertretern der Richter überprüft werden kann.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
Tatbestand
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Feststellungsantrag dagegen, dass der Hessische Minister der Justiz die Administration des EDV-Netzes der Hessischen Justiz, welches vom EDV-Netz der allgemeinen Landesverwaltung technisch getrennt ist, der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung, einem dem Finanzministerium unterstehendem Landesbetrieb, überlässt, weil dies nach ihrer Auffassung mit einer Beeinträchtigung ihrer richterlichen Unabhängigkeit verbunden ist.
Die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) betreut den technischen Betrieb des EDV-Netzes für die Hessische Justiz. Dazu zählen u.a. eine zentrale Benutzerunterstützung, eine zentrale Softwareverteilung, das zentrale E-Mailsystem sowie Firewall und Internetzugang. Die Fachverfahren und die Datenhaltung einschließlich der Dokumente der Rechtsprechung werden auf dezentralen Servern bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften gehalten. Die Systemadministratoren der HZD haben jedoch Zugriff auf alle Systemdateien des Gesamtnetzes und in den meisten Betriebssystemen auch systembedingt Zugriff auf alle Daten einschließlich Dokumentendateien.
Grundlage der Tätigkeit der im Jahre 1971 vom Land Hessen gegründeten HZD ist unter anderen das Datenverarbeitungsverbundgesetz vom 22.7.1988 (GVBl. I S. 287). Nach dessen früherer Fassung oblag die Dienst- und Fachaufsicht über die HZD dem Innenministerium. Seit dem Jahr 2003 obliegt sie dem Finanzministerium. Auf Vorschlag der Arbeitsgruppe "EDV-Netzbetrieb für die Dritte Gewalt", welche auf den Widerspruch der Antragsteller im vorliegenden Verfahren hin gebildet worden war, wurde das Datenverarbeitungsverbundgesetz durch Gesetz vom 4.12.2006 (GVBl. I, 618) mit Inkrafttreten bei Verkündung am 4.4.2007 (GVBl. I, S. 258) dahin geändert, dass die Fachaufsicht über die HZD teilweise dem Minister der Justiz übertragen wurde. § 1 DV-VerbundG lautet auszugsweise nunmehr:
1) Die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung ist zentraler Dienstleister für Informations- und Kommunikationstechnik für alle Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes Hessen. Sie arbeitet mit den Kommunalen Gebietsrechenzentren zusammen.
2) ...
3) Soweit die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung Aufgaben für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums der Justiz wahrnimmt, untersteht sie dessen Fachaufsicht. Hinsichtlich der Verfahrensdaten obliegt die Fachaufsicht dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Staatsanwaltschaft als datenverarbeitender Stelle.
Die Aufgaben und die innere Verfassung der HZD sind in der Betriebssatzung der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung vom 10.1.2000 geregelt (StAnz. 4/2000, 342, zuletzt geändert am 13.2.2002, StAnz. 9/2002, 918).
Die bei der HZD im Bereich der Netzbetreuung tätigen Personen (Administratoren) der obersten Rechteebene haben die technische Möglichkeit, insbesondere mit Hilfe des sog. Masterpassworts, sämtliche im EDV-Netz der Hessischen Justiz gespeicherten Dokum...