Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 30.10.1991; Aktenzeichen 5 O 552/90) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Oktober 1991 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden – Az. 5 O 552/90 – abgeändert.
Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrages zu 1) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe dieses Anspruchs sowie über den Antrag zu 2) (Feststellungsantrag) wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Der Wert der Beschwer wird auf 235.715,43 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich des Nachlasses ihrer gemeinsamen Mutter, der Erblasserin …, geltend. Der Anspruch soll in der Weise befriedigt werden, daß die Beklagte die Zwangsvollstreckung in Höhe eines Betrages von 235.715,43 DM in mehrere, ihr von der Erblasserin geschenkten Grundstücken duldet. Der Kläger verlangt darüber hinaus die Feststellung, daß die Beklage verpflichtet ist, die Zwangsvollstreckung auch wegen eines weitergehenden Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu dulden, der sich daraus ergibt, daß die Grundpfandrechte der betreffenden Grundstücke nicht mehr in Höhe des Nennbetrages valutieren.
Der Kläger ist der älteste Sohn der Erblasserin aus erster Ehe. Er wuchs bei deren Schwester auf und wurde von dieser und ihrem Ehemann, den Eheleuten …, 1974 adoptiert. Der Kläger wurde von seiner Mutter in einem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem zweiten Ehemann, … vom 30.11.1972 ebenso wie der weitere Bruder …nterbt, indem die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt wurde. Außerdem wurde ihnen der Pflichtteil entzogen. Der betreffende Text des Testaments lautet:
„Der Sohn der Ehefrau aus erster Ehe … soll aus dem Nachlaß der Mutter nichts erhalten. Ich, Frau … entziehe meinem Sohn … auch den Pflichtteil, weil er sich am 25. September 1965, als ich ihm die Genehmigung zur Eheschließung, weil er damals noch minderjährig war, verweigerte, ins Gesicht gespuckt und im Beisein meiner Tochter … ins Gesicht geschlagen hat. Er hat sich dadurch einer vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung seiner Mutter schuldig gemacht”.
Wegen des Inhalts dieser Urkunde im übrigen wird auf die Kopie des notariellen gemeinschaftlichen Testaments vom 30.11.1972, Bl. 25–27 d.A. Bezug genommen. Durch notarielle Verträge vom 18.12.1975, 1.9.1979 und 1.6.1984 zwischen den Eheleuten … einerseits und der Beklagten andererseits erhielt letztere von der Erblasserin und deren zweiten Ehemann mehrere Grundstücksschenkungen. Wegen des Inhalts dieser Verträge im einzelnen wird auf die Kopien der betreffenden notariellen Urkunden Bl. 221, 222, 190–197 und 298–300 d.A. verwiesen. Die Schenkung von 1975 war verbunden mit einem Wohnrecht und diejenige von 1984 mit einem Nießbrauch zu Gunsten der Eheleute … Während ihrer letzten Lebensjahre wohnte die Erblasserin im Hause der Beklagten. Frau … verstarb am 3.5.1989, nachdem ihr zweiter Ehemann, … bereits 1987 vorverstorben war.
Sie hinterließ lediglich ein wenig Bargeld und geringfügige Bankguthaben, was für die Begleichung der Beerdigungskosten nicht ausreichte. Die Beklagte erteilte durch Anwaltsschreiben vom 23.8.1989 und 18.12.1990 sowie durch eidesstattliche Versicherung vom 3.12.1990 Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Wegen des Inhalts dieser Schreiben wird auf Bl. 22–24 und 44–45 R d.A. ergänzend verwiesen.
Der Kläger hat behauptet, der von der Erblasserin in dem gemeinsamen Testament vom 30.11.1972 zur Begründung für den Pflichtteilsentzug angeführten Vorfall habe sich nicht so zugetragen. Außerdem habe er sich mit seiner Mutter wieder versöhnt und habe zur ihr in den letzten Jahren mit seiner Familie des öfteren Kontakt gehabt. Dies gehe auch aus dem Schreiben des damaligen Beklagtenvertreteres, Rechtsanwalt … vom 23.8.1989 hervor (Bl. 22–24 d.A.). Der Wert der der Beklagten von der Erblasserin geschenkten Grundstücke betrug nach Darstellung des Klägers zum Zeitpunkt des Erbfalles 1.932.625,– DM, wobei er sich auf Sachverständigengutachten des Gutachterausschusses der Stadt Wiesbaden (Bl. 139–189 d.A.) gestützt hat. Dabei habe der Wert des Grundstückes … in Wiesbaden-Nordenstadt im Schenkungszeitpunkt bereits 350.000,– DM betragen. Aus diesem zum 1.9.1979 ermittelten Wert abzüglich der von ihm für die Einholung des betreffenden Sachverständigengutachtens aufgewandten Kosten von 3.612,– DM hat der Kläger einen Pflichtteilsergänzungsanspruch von 57.731,33 DM errechnet, der zuzüglich der Sachverständigenkosten Gegenstand seines Klageantrages erster Instanz war.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück Friedhofstraße 10 in Wiesbaden-Nordenstadt, eingetragen im Grundbuch von Nordenstadt des Amtsgerichts Wiesbaden, Bl. 2947, Flurstücke 365/195 und 357/195, wegen eines Anspruches in Höhe von 61.343,33 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu dulden.
Die Beklagte hat beantragt,
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