Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines Vertrages über die Installation und Anpassung eines bestimmten Softwaresystems (Implementierung) nebst Einweisung als gemischter Rechtskauf- und Dienstvertrag.
2. Kann die Auftragnehmerin im Rahmen eines solchen Vertrages eine Standardsoftware, die einen wesentlichen Teil des Gesamtsystems bildet, wegen einer Umstellung des Angebotsprogramms durch den Hersteller nicht liefern, kann der Auftraggeber nach den Regeln über die Teilunmöglichkeit oder des Verzuges von dem gesamten Vertrag zurücktreten.
Normenkette
BGB § 323 Abs. 1, § 326 Abs. 5, §§ 453, 611
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.01.2010; Aktenzeichen 2-10 O 185/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.1.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Vergütung für die testweise Implementierung (Installierung und Einweisung) eines Dokumenten Management Systems (DMS) des Typs X1 in Höhe von 73.149,30 Euro nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Die Beklagte beruft sich gegenüber der der Höhe nach unstreitigen Forderung darauf, dass die Klägerin ein Modul dieses Systems, nämlich des "X2 Document Publisher" (im Folgenden: X2), welches mit der Version ... des DMS X1 kompatibel ist, nicht habe liefern und installieren können. Dieses Modul dient dazu, dass Mitarbeiter der Beklagten Textdokumente ohne besondere Kenntnisse in WebPublishing-Verfahren direkt auf eine Internetseite stellen können.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen, dessen Tatbestand jedoch noch dahin zu ergänzen, dass in Ziffer 3. des Angebotes der Klägerin vom 19.7.2007 eine voraussichtliche Vergütung für die Durchführung der Testphase angegeben ist.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen geringfügigen Teil der vorgerichtlichen Kosten stattgegeben.
Es hat dies damit begründet, dass der Klägerin der Vergütungsanspruch für die Durchführung der Testphase zustehe, weil der Beklagten trotz des fehlenden Moduls (Dokumenten Publisher) weder ein Anfechtungsrecht, ein Rücktrittsrecht oder Einrede des nicht erfüllten Vertrages noch ein sonstiges Recht wegen Vertragsverletzung zustehe.
Eine Täuschung sei der Klägerin nicht zur Last zu legen, weil bei Abgabe des Angebotes am 19.7.2007 noch offen gewesen sei, ob das DMS X1 in der Version 3.5 oder 4.0 installiert werden solle.
Die Klägerin habe auch keine Aufklärungspflicht dahin, dass ein kompatibler Dokumenten Publisher nicht lieferbar sei, verletzt.
Denn der Beklagten sei aufgrund eines E-Mail-Schreibens vom 25.7.2007 bekannt gewesen, dass die Version 4.0 des X1 mit Unsicherheiten behaftet sei. Mit der Entscheidung gegen die sichere Version 3.5 habe sie deshalb eine "unvollständige Funktionalität" in Kauf genommen. Dass für die Version 4.0 kein Dokumenten Publisher vorhanden sei bzw. von dem System unterstützt werde, habe die Klägerin erst später erfahren.
Ein Rücktrittsrecht habe der Beklagten deshalb nicht zugestanden, weil die Installation des Moduls "Dokumenten Publisher" nicht fällig gewesen sei. Da die Parteien Ende Juli 2007 in Kauf genommen hätten, dass die Version 4.0 nicht endgültig fertig sei, was sich auch aus der Mail vom 1.8.2007 ergeben habe, sei der Vertrag dahin auszulegen, dass die Installation des Systems nur "nach Möglichkeit und Freigabe" erfolgen solle. Durch die Bezugnahme auf den genannten Schriftverkehr bei der Annahme habe die Beklagte das Risiko der eingeschränkten Lieferbarkeit in Kauf genommen.
Aus demselben Grund, mangelnde Fälligkeit der Installation eines kompatiblen Dokumenten Publishers, stehe der Beklagten auch nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrages oder ein Anspruch wegen Vertragsverletzung zu.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.
Die Beklagte rügt zunächst, das Landgericht gehe zu Unrecht von der Annahme aus, dass auch die Lieferung eines X2 Document Publisher auf der Grundlage der Version 3.5 eine vertragsgemäße Leistung gewesen wäre. Denn zum Zeitpunkt der Annahme des Angebotes durch die Beklagte sei der Vertragsinhalt aufgrund des zwischenzeitlichen Schriftverkehrs dahin abgeändert worden, dass das DMS X1 auf der Basis der Version 4.0. installiert werden solle. Das Landgericht würdige die beiden genannten E-Mail-Schreiben unzutreffend. Zudem berücksichtige es nicht ihren Vortrag im Schriftsatz vom 22.9.2008, wonach dies auf einer Telefonkonferenz von Mitarbeitern am 1.8.2007 beider Parteien vereinbart worden sei.
Das Landgericht vertrete deshalb ohne j...