Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Kein Schadensersatz für im Mai 2018 erworbenen Gebrauchtwagen Audi A8
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 20.04.2021; Aktenzeichen 4 O 245/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 20.04.2021, Az. 4 O 245/20, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.055,37 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die beklagte Kraftfahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger kaufte am 30.05.2018 bei einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten Audi A8 3.0 l V6 TDI (Abgasnorm Euro 6), 190 kW (259 PS), mit Erstzulassung am 11.11.2014 und einem Kilometerstand von 40.000 km zum Bruttokaufpreis von 41.500 Euro (vgl. Anlage K1, GA 67).
Die Beklagte hatte zuvor bereits mit Pressemitteilung vom 21.07.2017 mitgeteilt, sie starte ein kostenloses Update-Programm für bis zu 850.000 Fahrzeuge mit Sechs-und Achtzylinder-Motor (V6/V8 TDI, Euro 5/Euro 6), die eine neue Software bekommen könnten. Hierdurch werde das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb jenseits der bisherigen gesetzlichen Anforderungen weiter verbessert. Die Aktion werde in enger Abstimmung mit dem Kraftfahrt Bundesamt (KBA) erfolgen. Damit wolle sie dazu beitragen, die Gesamtemissionen in den Innenstädten zu reduzieren. Dieser Service gelte auch für Modelle der Marken Porsche und Volkswagen, die mit baugleichen Motoren ausgerüstet seien. Sie habe (u.a.) das Ziel, einen Beitrag zur Luftreinhaltung zu leisten. Gleichzeitig wolle sie möglichen Fahrverboten entgegenwirken (vgl. Anlage B11, GA 255).
Über diese Umrüstaktion wurde noch am selben Tag in der überregionalen Presse berichtet (vgl. Anlagen B13 bis B15, GA 257 ff.).
Das KBA hörte die Beklagte mit Schreiben vom 17.11.2017 unter anderem zu Audi A8-Fahrzeugen mit 3,0-Liter-Dieselmotor an, weil es wegen teilweise unzulässiger Abschaltungen in deren Emissionskontrollsystem nachträgliche Nebenbestimmungen zur Fahrzeugtypengenehmigung beabsichtigte (vgl. Anlage R1, GA 202 ff.). Es ging davon aus, dass die Beklagte vier verschiedene Strategien im Emissionskontrollystem verwende (bezeichnet als Strategien A bis D). Die Strategien A und B würden nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Typ 1-Prüfung (im Neuen Europäischen Fahrzyklus - NEFZ) genutzt. Der Aufheizstrategie (Strategie A) gehe bei dieser Prüfung während der Vorkonditionierung eine Strategie "Alternatives Aufheizen" (Strategie B) voraus. Beim Einsatz beider Strategien werde die Überschreitung des Stickoxid-Grenzwerts von 80 mg/km sicher vermieden. Strategie A verwende eine Vielzahl von Initialisierungsparametern, die gleichzeitig vorliegen müsste, um die Aufheizstrategie zu starten. Die Schaltbedingungen seien so eng bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich unter den Prüfbedingungen im NEFZ wirke. Schon kleine Abweichungen im Fahrprofil und in den Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung dieser Strategie. Strategie B erkenne die Vorkonditionierung und führe zu einem höheren NH3-[Ammoniak] Füllstand im SCR-Katalysator. Wegen der Schaltbedingungen bestehe der Verdacht, dass dieser höhere Füllstand im SCR notwendig sei, um die Typ 1-Prüfung zu bestehen. Eine Re-Entry-Strategie, die unter normalen Betriebsbedingungen den erneuten Einstieg in die Aufheizstrategie ermögliche, fehle (Strategie C). Außerdem würden beim Betrieb des SCR-Katalysators zwei unterschiedlichen Betriebsarten zur Eindüsung von Reagens [AdBlue] verwendet (sog. Speicher- und Onlinebetrieb), für deren Umschaltung unter anderem die Fahrzeuggeschwindigkeit ein Parameter sei. Mit Strategie A enthalte das Motorsteuergerät eine Abschalteinrichtung. Werde die Aufheizstrategie abgeschaltet, verschlechtere sich das Stickoxidemissionsverhalten, ohne dass dafür ein zulässiger Grund erkennbar sei. Die Zulässigkeit der Strategien B und C sei zweifelhaft. An der Zulässigkeit der Strategie D bestünden ebenfalls Zweifel, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit als Umschaltparameter verwendet werde. Auch sei zweifelhaft, ob das Emmissionskontrollsystem durch die Umschaltung vom Speicher- in den Onlinebetrieb bei höheren Geschwindigkeiten (Strategie D) ausreichend wirksam sei.
Mit Schreiben vom 07.12.2017 ordnete das KBA gegenüber der X AG für Fahrzeuge des Modells VW Touareg mit baugleichem 3,0 Liter-Dieselmotor der Abgasnorm Euro 6 eine nachträgliche Nebenbestimmung zur EG-Typengenehmigung durch Umrüs...