Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verwirkung des Widerrufsrechts bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung trotz Darlehensablösung mit Vorfälligkeitsentschädigung

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 19.03.2015; Aktenzeichen 4 O 395/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Gießen vom 19.03.2015 - Az.: 4 O 395/14 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 42.850,00 EUR zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger haben von der Beklagten die Rückzahlung einer geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung verlangt.

Sie schlossen am 22.09.2009 mit der Beklagten in der Filiale Stadt1 drei Verbraucherdarlehensverträge. Jedes der Vertragsformulare enthielt eine wortgleiche Widerrufsbelehrung, wegen deren Inhalts auf Bl. 15, 24 und 33 d.A. verwiesen wird. Soweit im Tatbestand des angefochtenen Urteils die Widerrufsbelehrung wiedergegeben wird, ist dies dahin zu berichtigen, dass es statt "... ein Exemplar dieser Widerrufserklärung" heißen muss "... ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung".

Im Jahre 2012 kam es nach Gesprächen zwischen den Parteien dazu, dass die Darlehen durch die Kläger vorzeitig abgelöst werden. Dabei wurde eine Ablösung seitens der Beklagten von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 42.550,00 EUR abhängig gemacht. Die B Lebensversicherung glich in der Folge die Darlehensforderungen der Beklagten aus, die Kläger zahlten die verlangte Vorfälligkeitsentschädigung zzgl. einer weiteren Gebühr von 300,00 EUR.

Am 24.09. und 25.11.2014 erklärten die Kläger den Widerruf der Darlehensverträge (Bl. 34-39 d.A.).

Die Kläger haben gemeint, sie hätten die Darlehensverträge wirksam widerrufen, die Verträge seien nicht durch die Ablösung der Darlehen aufgehoben worden.

Mit der Klage haben sie die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nebst der weiteren Gebühr, insgesamt 42.850,00 EUR verlangt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zwar sei die Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen, da die getroffene Wortwahl nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist informiere. Bei der Nennung des zur Verfügung zu stellenden Vertragsantrages hätte aufgenommen werden müssen, dass es auf den Vertragsantrag des Verbrauchers ankomme. Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen. Es sei auch nicht dargetan, dass mit der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung die Darlehensverhältnisse für die Vergangenheit hätten erledigt sein sollen. Der Ausübung des Widerrufsrechts stehe jedoch der Einwand der Verwirkung entgegen. Die Beklagte habe sich darauf einrichten können und eingerichtet, dass die Kläger ihre Erklärungen nicht mehr widerrufen. Die Darlehen seien 2012 vollständig abgelöst worden, die Kläger hätten nach Erhalt der Widerrufsbelehrungen zudem bis zur Widerrufserklärung mehr als fünf Jahre verstreichen lassen und zudem nach Ablösung des Kreditkontos noch zwei Jahre zugewartet. Zu berücksichtigen sei, dass überhaupt eine Widerrufserklärung erteilt worden sei, die einen durchschnittlichen Verbraucher nicht über das Bestehen eines - befristeten - Widerrufsrechts im Unklaren habe lassen können. Die Kläger hätten am 21.09.2009 (richtig: 22.09.2009) insbesondere die Vertragsurkunde und die Widerrufsbelehrung erhalten, so dass aus ihrer Sicht keine Unklarheiten über den Fristbeginn hätten bestehen können. Die Kläger könnten ferner nicht die Gebühr von 300,00 EUR für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen, da diese nicht auf einer Allgemeinen Geschäftsbedingung der Beklagten beruht habe. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der vom LG festgestellten Tatsachen und der Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 122-129 d.A.).

Gegen die am 22.04.2015 zugestellte Entscheidung haben die Kläger am 05.05.2015 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt gewesen. Die Widerrufsbelehrungen seien aus dem vom LG angeführten Grund wegen der unklaren Angabe der Fristdauer "zwei Wochen (ein Monat)1" unwirksam Die Gebühr für die Vorfälligkeitsberechnung sei unzulässig gewesen, so dass zumindest insoweit der Klage stattgegeben werden müsse.

Die Kläger beantragen, unter Abänderung des am 19.03.2015 verkündeten Urteils des LG Gießen, Az.: 4 O 395/14 die Beklagte zu verurteilen, an sie (Kläger) 42.850 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufun...

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