Leitsatz (amtlich)
›Für den Bereich der Strafverteidigung ist anzunehmen, dass bei der Vereinbarung einer Vergütung, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, unter Umständen eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen kann, dass sie unangemessen hoch sei und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO verletze.
Soweit der Mandant mehr gezahlt hat, hat er deshalb ohne Rechtsgrund geleistet, so dass ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB besteht.‹
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.04.2005; Aktenzeichen 2-05 O 222/04) |
Gründe
I.
Der Kläger verlangt aus eigenem und von seiner Ehefrau abgetretenem Recht Rückzahlung von 16.798,83 EUR zzgl. Zinsen als Teil eines an den Beklagten gezahlten Anwalthonorars.
Der Sohn des Klägers war in einem Strafverfahren u.a. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zur Durchführung der Revision schlossen der Kläger und seine Ehefrau am 10. Oktober 2001 mit dem Beklagten eine schriftliche Honorarvereinbarung über 30.000,- DM + MWSt und Auslagen für die Erstellung einer Revisionsbegründungsschrift (Bl. 6 d. A.). Das Honorar des Beklagten wurde in zwei Teilbeträgen am 26. Oktober 2001 und 16. November 2001 gezahlt. Der Beklagte fertigte unter dem 26. November 2001 eine 33seitige Revisionsbegründungsschrift. Die Revision blieb ohne Erfolg.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihm und seiner Ehefrau weder Zeit zur Beratung und Erkundigung gelassen noch die Möglichkeit gegeben, den Text der Honorarvereinbarung durchzulesen. Sie hätten erst durch ein Schreiben des Finanzamtes Würzburg, Außenstelle Ochsenfurt, vom 13. Dezember 2002 erfahren, dass eine höhere als die gesetzlich vorgesehene Gebühr vereinbart wurde. Zudem sei die Vereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 127 -128 d. A.) verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es habe keine Pflicht des Beklagten bestanden, den Kläger und seine Ehefrau darüber zu belehren, dass das Honorar die gesetzliche Vergütung übersteigt. Deshalb sei es unerheblich, ob der Kläger und seine Ehefrau den Vertrag vor Unterschriftsleistung durchgelesen hätten oder nicht.
Die Honorarvereinbarung sei auch nicht sittenwidrig. Die vereinbarte Vergütung sei nach dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer und den Umständen des Einzelfalls für die konkrete von dem Rechtsanwalt entfaltete Tätigkeit nicht unangemessen hoch. Vielmehr habe die Honorarvereinbarung zu einem aufwandsangemessenen Honorar geführt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 128-131 d.A.)
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er bemängelt, dass das Landgericht über seine Behauptungen nicht Beweis erhoben hat.
Zudem sei entgegen der Auffassung des Landgerichts das in der Vereinbarung festgelegte Honorar nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig überhöht, da der Beklagte das fast 30-fache der gesetzlichen Gebühren verlange.
Soweit nach der Rechtsprechung des BGH eine anwaltliche Honorarvereinbarung das Sittengesetz nicht verletzte, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt, habe das Landgericht eine diesbezügliche Abgrenzung nicht vornehmen können, da der Beklagte zum Aufwand seiner Tätigkeit nichts vorgetragen habe und die Ausführungen in dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer eine schlichte Vermutung darstellten.
Hilfsweise rechtfertige sich der geltend gemachte Rückforderungsanspruch aus § 3 Abs. 3 BRAGO. Dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer könne insoweit nicht gefolgt werden, da es keine ausreichende Entscheidungsgrundlage biete.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 5. April 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.798,83 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält dem Kläger entgegen, der Vortrag des Klägers, er und seine Ehefrau hätten die Vereinbarung nicht gelesen und sie seien davon ausgegangen, dass es sich bei dem Betrag von 30.000,- DM um die gesetzlichen Gebühren handele, sei vor dem Hintergrund ihrer Stellung als Akademiker unsubstantiiert.
Im Übrigen behauptet er, für die Erstellung der Revisionsbegründungsschrift einen Arbeitsaufwand von insgesamt mindestens 10 vollen Arbeitstagen gehabt zu haben.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 14. 307,57 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.
a) Nicht durchdringen kann der Kläger mit seinem Begehren auf Rückzahlung eines angeblich überzahlten Betrages in Höhe der vollen Klageforderung. Die am 10. Oktober 2001 geschlossene Honorarvereinbarung ist nicht unwirksam mit der Folge, dass der Kläger in vollem Umfang ohne Rechtsgrund gezahlt hätte.
aa) Die Honorarvereinba...