Leitsatz (amtlich)
1. Eine Fristsetzung für die schriftliche Stellungnahme auf die Klageerwiderung ist ohne Belehrung gem. § 277 Abs. 2 ZPO und ohne Unterschrift mit dem vollständigen Namen des Richters nicht wirksam.
2. Eine Beweisaufnahme, zu deren Durchführung drei Zeugen im Ausland (Usbekistan, Russland) zu laden und zwei weitere Zeugen erneut zu vernehmen sind, ist aufwendig i.S.v. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Normenkette
ZPO § 277 Abs. 2, §§ 296, 538 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.07.2010) |
Tenor
Auf Berufung des Klägers wird das am 6.7.2010 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges - an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des erstinstanzlichen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Berichtigung von Lastschriften i.H.v. 95.529,23 US-Dollar und 96.295,71 US-Dollar, die die Beklagte mit Wertstellung vom 30.7.2008 und 13.8.2008 auf dem Kontokorrentkonto des Klägers buchte. Die Parteien streiten darüber, ob die den Lastschriften entsprechenden Aufträge für Aktienkäufe, die nicht vom Kläger persönlich, sondern von einem Dritten erteilt worden waren, mit Vollmacht des Klägers erteilt worden waren. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat darüber, ob der Kläger bei der Kontoeröffnung Herrn A1 Konto- und Depotvollmacht erteilte, durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.5.2010 (Bl. 112 - 124 d.A.) Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung am 18.5.2010 hat der Kläger nach der Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen die Herren A1 und A2 (ohne Mitteilung der Anschriften) gegenbeweislich zur Frage der Vollmachterteilung als Zeugen benannt. Das LG hat durch am 6.7.2010 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Beklagte bewiesen habe, dass der Kläger Herrn A1 Konto- und Depotvollmacht erteilt habe, die Beklagte somit wegen der mit Vertretungsmacht des Klägers wirksam erteilten Aufträge zum Kauf von Aktien die Lastschriften zum Ausgleich ihres Aufwendungsersatzanspruches zu Recht vorgenommen habe (Bl. 158 - 164 d.A.). Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 16.7.2010 zugestellte Urteil am 12.8.2010 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 14.9.2010 begründet.
Der Kläger rügt mit der Berufung, dass das LG auch die von ihm benannten Zeugen A, deren Adresse er ohne sein Verschulden erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung habe in Erfahrung bringen können, hätte hören müssen. Ferner hätte das LG auch den nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 2.6.2010 benannten Zeugen B1 vernehmen müssen. Im Übrigen sei auch die Beweiswürdigung des LG fehlerhaft.
Der Kläger beantragt, in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 191.824,24 US-Dollar zu zahlen, indem dieser Betrag dem US-Dollar Konto des Klägers Nr ... gutgeschrieben wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.4.2009, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.282 EUR zu zahlen, hilfsweise die Sache an das LG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Zu Recht habe das LG festgestellt, dass der Kläger bei der Kontoeröffnung Herrn A1 Vollmacht für das Konto und das Wertpapierdepot eingeräumt habe. Die Benennung der Zeugen A im Verhandlungstermin am 18.5.2010 habe nicht ordnungsgemäßer Prozessführung entsprochen.
II. Die Berufung des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Denn das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Zwar ist die Beweiswürdigung des LG - für sich betrachtet - nicht zu beanstanden. Das LG hat es jedoch verfahrensfehlerhaft unterlassen, über die entscheidungserhebliche Frage der Erteilung der Konto- und Depotvollmacht auch die vom Kläger gegenbeweislich benannten Zeugen A zu vernehmen. Der Kläger hat diese Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 18.5.2010 ordnungsgemäß benannt; hierfür war die Mitteilung der ladungsfähigen Anschriften nicht erforderlich, diese konnten vielmehr nachgereicht werden (BGH NJW 1993, 1926, 1927). Zu Unrecht hat das LG den Beweisantritt des Klägers als verspätet gem. § 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Beweisantritts nach dieser Norm lagen nicht vor. Denn die dem Kläger gesetzte Frist zur Erw...