Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Zulässigkeit des Verbots des Internetvertriebs von Markenartikeln und deren Einstellung in Preissuchmaschinen
Leitsatz (amtlich)
1) Ein qualitatives selektives Vertriebssystem, das an objektive Kriterien qualitativer Art anknüpft, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen, unterfällt nicht dem Verbot des § 1 GWB, wenn die - diskriminierungsfrei angewandten - Kriterien zur Sicherung eines bestehenden Beratungsbedarfs und der Signalisation einer hohen Produktqualität erforderlich sind.
2) Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Hersteller seinen Vertragshändlern untersagen, die Vertragsware über die Verkaufsplattform amazon. de zu vertreiben, weil dort weder eine qualifizierte Beratung noch die Signalisation einer hohen Produktqualität sichergestellt werden kann.
3) Ein generelles Verbot der Bewerbung von Vertragswaren über sog. Preissuchmaschinen ist jedenfalls dann nicht zur Sicherung eines Beratungsbedarfes und zur Signalisierung einer hohen Produktqualität erforderlich, wenn der Nutzer bei Kaufinteresse notwendig auf die eigene Website des Händlers weitergeleitet wird.
Normenkette
GWB § 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.06.2014; Aktenzeichen 2-3 O 158/13) |
Tenor
1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 18.06.2014, Az. 2-03 O 158/13, teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Belieferung entsprechend den Bestellungen der Klägerin - von handelsüblichen Mengen zu den Preisen und Konditionen, die die Beklagte bei gleichen Mengenabnahmen üblicherweise anwendet - mit von der Beklagten hergestellten Funktionsrucksäcken für die Aktivitäten Radfahren, Wandern, Trekking, Klettern und Hochtouren der Marke "X" davon abhängig zu machen, dass die Klägerin sich gegenüber der Beklagten vertraglich wie folgt verpflichtet:
"Die Teilnahme des ADF an Software oder anderen Programmen von Preissuchmaschinen und ähnlichen Initiativen, bei denen der ADF etwa dem Betreiber dieser Suchmaschinen spezifische Preisinformationen aktiv zur Verfügung stellt, die den seitens des ADF aktuell geforderten Endverbraucherabgabepreis für X Markenprodukte betreffen, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung seitens X nicht zulässig."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
3) Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5) Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte, ein deutsches Traditionsunternehmen, das qualitativ hochwertige so genannte Funktionsrucksäcke für verschiedene sportliche Aktivitäten herstellt, im Rahmen eines qualitativen selektiven Vertriebssystems die Belieferung der Klägerin davon abhängig machen darf, dass diese sich verpflichtet, die Vertragsprodukte nicht über die Verkaufsplattform www.amazon.de oder bestimmte Preissuchmaschinen anzubieten bzw. zu bewerben.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen..
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt es zu unterlassen, die Belieferung der Klägerin davon abhängig zu machen, dass diese Waren nicht über die Onlineplattform "Amazon" anbietet oder verkauft sowie davon, dass sich die Klägerin verpflichtet, an Software oder anderen Programmen von Preissuchmaschinen, bei denen sie dem Betreiber spezifische Preisinformationen aktiv zur Verfügung stellt, nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Klägerin teilzunehmen. Des Weiteren hat das LG antragsgemäß eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Belieferung der Vertragswaren ohne die streitgegenständlichen Vertriebsbeschränkungen nach den §§ 33,20 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 1 GWB(a.F.), Art. 101 AEUV zu. Die Beklagte sei aufgrund sortimentsbedingter Abhängigkeit der Klägerin marktstark i.S.d. § 20 Abs. 2 GWB. Das Verhalten der Beklagten stelle sowohl einen Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß §§ 1 GWB, Art. 101 AEUV als auch eine unbillige Behinderung im Sin...