Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsbegehren. internationale Zuständigkeit. Wohnsitz. Zustellung. Gerichtsstand für Unterhaltsklagen nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wechsel von der Leistungsklage zur Stufenklage ist eine nachträgliche Anspruchshäufung, die von der Rechtsprechung wie eine Klageänderung behandelt wird.
2. Nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO kann eine Person, die in einem Mitgliedsstaat ihren Wohnsitz hat, auf Unterhalt vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Normenkette
EGV Art. 5 Nr. 2; Zpo § 261 Abs. 3 Nr. 2; FamFG § 112 Nr. 1, § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1; EuUnthVO Art. 75 Abs. 1; EuGVVO Art. 5 Nr. 2, Art. 2-3, 4 Abs. 1; FGG-RG Art. 111 Abs. 1; ZPO § 23a; EuGVVO Art. 24
Verfahrensgang
AG Seligenstadt (Entscheidung vom 18.10.2010; Aktenzeichen 2 F 450/05) |
Nachgehend
Tenor
Das am 18.10.2010 verkündete Teil-Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Seligenstadt wird abgeändert.
Die Klage wird hinsichtlich der Klageanträge zu Ziff. 1a bis 1 c aus dem klägerischen Schriftsatz vom 14.04.2009 abgewiesen.
Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Sie hat die brasilianische und die deutsche Staatsangehörigkeit, allerdings hat sie bis November 2004 zu keinem Zeitpunkt in Deutschland gelebt. Sie ist in Brasilien aufgewachsen, wo sie ihre Schulausbildung und eine Hochschulausbildung als ... absolviert hat. Der Beklagte ist ebenfalls Brasilianer, hat jedoch daneben noch die italienische Staatsangehörigkeit.
Die Parteien haben am ...1997 geheiratet. Sie hatten ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt in den Land2, wo der Beklagte bei der X-Bank arbeitete. Im März 2004 kam es zur Trennung der Eheleute. Damals zog die Klägerin von den Land2 zurück nach Brasilien. Sie behauptet, im November 2004 nach Deutschland gezogen zu sein und in Stadt1 ihren Wohnsitz genommen zu haben. Spätestens seit Anfang des Jahres 2009 wohnt die Klägerin wieder in Brasilien.
Die Klage auf Trennungsunterhalt wurde am 15.08.2005 mit einem bezifferten Zahlungsantrag eingereicht und am 14.11.2005 des Beklagten zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt wohnte der Beklagte noch in den Land2. Mit Schriftsatz vom 14.04.2009, der am 24.09.2009 zugestellt wurde, hat die Klägerin ihre ursprüngliche bezifferte Leistungsklage umgestellt auf eine Stufenklage mit Auskunftsantrag und unbeziffertem Leistungsantrag.
Die Klägerin hatte bereits am 15.11.2004 beim Amtsgericht Seligenstadt einen Antrag auf Scheidung ihrer Ehe eingereicht (Geschäftsnummer ...). Der Scheidungsantrag wurde vom Amtsgericht Seligenstadt mit der Begründung abgewiesen, es fehle die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, weil die Klägerin bei Einleitung des Scheidungsverfahrens nicht bereits mindestens sechs Monate ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe.
Die Klägerin hatte beim Amtsgericht Seligenstadt einen neuen Scheidungsantrag eingereicht (Geschäftsnummer ...). Dieser wurde vom Amtsgericht mit Urteil vom 17.01.2008 mit der Begründung zurückgewiesen, dass das hier maßgebliche brasilianische materielle Scheidungsrecht die Einhaltung einer Wartefrist verlange, die nicht eingehalten worden sei. Die von der Klägerin gegen die Zurückweisung des Scheidungsantrags eingelegte Berufung blieb erfolglos OLG Frankfurt, Urt. v. 5. 11. 2009 - ..., FamRZ 2010, 1560).
Bereits mit Antrag vom 10.01.2005 hatte der Beklagte vor einem Gericht in Rio de Janeiro ein Unterhaltsangebotsverfahren eingeleitet und dort als Kläger beantragt, für die dortige Beklagte gerichtlich einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 Rial festzusetzen. Mit Beschluss des brasilianischen Gerichts vom 17.01.2005 wurden die Alimente provisorisch in Höhe dieses Angebots festgesetzt. Im Hauptsacheverfahren wurde versucht, der Verfahrensgegnerin die Antragsschrift vom 10.01.2005 unter der in der Antragsschrift genannten Anschrift in Rio de Janeiro zuzustellen. Die Zustellung gelang jedoch nicht. Die mit der Zustellung beauftragte Gerichtsvollzieherin in Brasilien teilte am 10.02.2005 mit, dass die Adressatin unter der angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft sei und sich laut Mitteilung des Portiers der Wohnungsanlage seit ungefähr zwei Monaten in Deutschland aufhalte. Das brasilianische Gericht ordnete eine erneute Zustellung unter dieser Anschrift an. Die mit der Zustellung beauftragte Gerichtsvollzieherin teilte am 4.4.2005 mit, dass unter der genannten Anschrift nur die Mutter der Adres...