Leitsatz (amtlich)
Aus einer vertraglich übernommenen Unterlassungsverpflichtung kann sich auch die Obliegenheit zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes ergeben. Hat sich der Schuldner zur Unterlassung einer irreführenden Werbeaussage verpflichtet, die sich bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf seiner Homepage befand, kann zu den durch die Unterlassungserklärung übernommenen Obliegenheiten neben der Entfernung der Werbeaussage auf der Homepage auch die Unterrichtung der gewerblichen Abnehmer über die Unrichtigkeit der früher verwendeten Aussage gehören. Dies gilt jedoch nur dann, wenn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände davon auszugehen ist, dass die irreführende Angabe auch nach ihrer Entfernung im Gedächtnis der Abnehmer geistig fortlebt (im Streitfall verneint).
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 15.07.2016; Aktenzeichen 27 O 122/16) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.07.2016 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zahlung einer Vertragsstrafe.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung von Uhrenarmbändern aus Leder. Die Beklagte zu 1, deren Komplementär der Beklagte zu 2 ist, warb im ... 2015 auf ihrer Website mit folgender Angabe (Anlage K4):
"A arbeitet ausschließlich mit Gerbereien zusammen, welche umweltkonforme Gerbverfahren anwenden. Selbstverständlich bleiben dabei alle A-Leder frei von Schadstoffen wie z.B. PCB oder AZO-Farbstoffen. Auch beim Zubehör zu unseren Produkten achten wir auf umweltschonende Herstellungsweise und Zusammensetzung. So versehen wir z.B. unsere Uhrenarmbänder nur mit nickelfreien Edelstahlschließen."
Die Klägerin stellte bei einem mittels Testkaufs erworbenen Armband der Beklagten fest, dass die Schließe einen Nickelanteil von ca. 8 % aufwies. Sie mahnte die Beklagte unter dem 30.04.2015 ab. Die Beklagten löschten daraufhin die Werbeaussage von ihrer Website. Sie verpflichteten sich mit Unterlassungserklärung vom 12.05.2015,
"es ab sofort zu unterlassen, Edelstahlschließen als Zubehör für Uhrenarmbänder mit 'nickelfrei' zu bewerben, sofern diese Nickel enthalten."
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichteten sie sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe, deren Höhe von der Gläubigerin nach billigem Ermessen festzusetzen und im Streitfall vom zuständigen Gericht auf ihre Billigkeit zu überprüfen ist (Anlage K5). Die Klägerin hat die Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 22.05.2015 angenommen (Anlage K6).
Die Klägerin wandte sich ab Mitte Juni 2015 per E-Mail an Uhrenfachhändler und bat um Mitteilung, ob die Uhrenarmbänder der Beklagten nickelfrei seien. Mehrere Händler bestätigten die Nickelfreiheit. Insoweit wird auf die E-Mail-Korrespondenz vom 9. - 15.06.2015 Bezug genommen (Anlage K10). Mit Schreiben vom 13.07.2015 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. insgesamt 127.500,00 EUR für 17 Verstöße auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 15.07.2016, Az. 27 O 122/16, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 127.500,00 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus dem Unterlassungsvertrag.
a) Die Parteien haben einen Unterlassungsvertrag geschlossen. Der Vertrag ist mit der Annahme der Unterlassungserklärung durch die Klägerin mit Schreiben vom 22.05.2015 zustande gekommen (Anlage K6).
b) Die Beklagten haben gegen die Unterlassungserklärung nicht dadurch verstoßen, dass sie nicht - zusätzlich zur Löschung der Angabe - die auf ihrer Internetseite gelisteten Händler unverzüglich aktiv über die Fehlerhaftigkeit der Werbeangabe informiert haben.
aa) Bei gerichtlichen Unterlassungstiteln, die sog. Dauerhandlungen betreffen, die einen fortdauernden Störungszustand schaffen, ist anerkannt, dass sie regelmäßig nicht nur zur Unterlassung weiterer derartiger Handlungen verpf...