Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückerstattung von Zahlungen für Erdgas wegen Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel
Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 26.08.2010; Aktenzeichen 7 O 217/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.8.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau - 7. Zivilkammer - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4979,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% - Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2009 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/6 und die Beklagte 5/6.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenpartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Rückerstattung von für die Belieferung mit Erdgas in den Jahren 2005 bis 2009 geleisteten Zahlungen wegen Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel. Die Beklagte belieferte den Kläger seit 1990 mit Erdgas auf der Grundlage eines Sondervertrages. Die in dem Formularvertrag enthaltene Preisanpassungsklausel ist nach der rechtskräftigen Entscheidung des Senats vom 05.05.2009 (11 U 61/07 = ZNER 2009, 153) unwirksam. Mit Schreiben vom 02.02.2007 (Anl. B 1) widersprach der Kläger einer Preiserhöhung zum 01.07.2006. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 verwiesen.
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes und der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers meint, das Landgericht habe die widerspruchslose Hinnahme von Preisänderungen im Rahmen des Sondervertrages zu Unrecht als stillschweigende Vereinbarung eines neuen Individualpreises gewertet. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Juli 2010, VIII ZR 246/08 ist sie der Auffassung, die Voraussetzungen einer in jener Entscheidung angedeuteten Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung seien von der Beklagten nicht ausreichend vorgetragen. Eine Anpassung des Vertrages wegen einer einseitigen Veränderung des Vertragsgefüges komme auch deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagten - unstreitig - ein Kündigungsrecht zugestanden habe, von dem sie dem Kläger gegenüber schon aufgrund seines Widerspruchs am 2.2.2007 hätte Gebrauch machen können. Die Beklagte könne sich nicht darauf zurückziehen, dass sie in der Vergangenheit keine Veranlassung gehabt habe, von dem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Bereits Ende 2005/Anfang 2006 hätten zahlreiche ihrer Kunden den Gaspreisen widersprochen, so dass sie selbst von einer "Widerspruchswelle" gesprochen habe. Seither ziehe sich der Gaspreisprotest wie ein roter Faden durch die Beziehung der Beklagten zu ihren Kunden. Auch die Möglichkeit der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel sei für die Beklagte ersichtlich gewesen. Entsprechend hätte, so meint der Kläger, die Beklagte auch eine frühzeitige Kündigung des jeweiligen Vertragsverhältnisses in Erwägung ziehen müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des am 26.08.2010 verkündeten und am 02.09.2010 zugestellten Urteils des Landgerichts Hanau - Az.: 7 0 217/10 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.132,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien die Preise mit dem Stand 30.06.2006 in Höhe von 4,14 ct/kWh (netto) vereinbart worden seien. Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel führe nicht dazu, dass die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1999 geltenden Preise bei der Abrechnung zugrunde zulegen seien. Die Parteien hätten sich konkludent auf die jeweils gültigen Preise geeinigt. Dem stehe die Entscheidung des BGH vom 14.07.2010 nicht entgegen, denn der Kläger habe nicht nur die Rechnungen ohne Beanstandung bezahlt, sondern auch seinen Gasbezug bei der Beklagten fortgesetzt. Dem fortgesetzten Gasbezug komme nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Erklärungswert zu.
Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Abrechnung zu den bei Vertragsschluss gültigen Preisen zu, weil dies zu einer unzumutbaren Verschiebung des Vertragsgefüges führe. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sei infolge der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel eine ergänzende Vertragsauslegung zum Zwecke der Lückenfüllung vorzunehmen. Diese Rechtsprechung finde nach der Entscheidung des BGH vom 14.07.2010 auch auf die vorliegende Konstellation Anwendung. Die Kriterien, die der BGH für die ergänzende Vertragsauslegung aufstelle, s...