Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit des Verkaufs von Adressdaten durch den Insolvenzverwalter einer Adresshandelsfirma wegen fehlender Einwilligung der Adressinhaber
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Nichtigkeit des Vertrages, mit dem der Insolvenzverwalter einer Adresshandelsfirma Adressdaten an einen Dritten verkauft, wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 BDSG und § 7 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 UWG.
2. Zur Anwendbarkeit des sog. Listenprivilegs nach § 28 Abs. 3 Satz 2 BDSG.
3. Zur Frage der Erteilung einer wettbewerbsrechtlichen Einwilligung der Adressinhaber im Rahmen von AGB.
4. Zum Ausschluss des Rückforderungsanspruchs des Käufers eines nichtigen Adresshandelsvertrages hinsichtlich des Kaufpreises wegen § 817 Satz 2 BGB.
Normenkette
BDSG § 28; BGB §§ 134, 817; UWG § 7
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 21.07.2016; Aktenzeichen 16 O 272/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21.7.2016 verkündete Urteil der Vorsitzenden der 16. Zivilkammer - 4. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Darmstadt abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen einschließlich der Kosten der Streithelferin hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten bzw. der Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 26.900,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten vertragliche Gewährleistungs- bzw. Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht geltend.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die unter anderem auf dem Gebiet des Adresshandels tätig ist. Der Geschäftsführer der Klägerin, A, war früher der Geschäftsführer der B GmbH. Über das Vermögen der B GmbH ist mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 - Insolvenzgericht - vom ....2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden, Insolvenzverwalter ist der Beklagte.
Mit Vertrag vom 30.9.2010 (Anlage K 1, Bl. 9 ff. d. A.) verpflichtete sich der Beklagte an den Geschäftsführer der Klägerin verschiedene Internet-Domains einschließlich der über diese generierten Adressen für einen Preis von 15.000,00 EUR netto zu übertragen. Die Daten wurden auf einem USB-Stick übergeben. Ursprünglich befanden sie sich auf zwei Servern der B GmbH.
Die Geschäftsausstattung der B GmbH, inklusive der vorgenannten Server, erwarb die C OHG für einen Kaufpreis von 1.971,78 EUR netto. Die Rechnung vom 10.2.2011 (Anlage K 2, Bl. 12) stellte die Streithelferin, die von dem Beklagten mit der Verwertung des Inventars der B GmbH beauftragt worden war (vgl. Bl. 3 d. A.).
Die C OHG verkaufte die vorgenannten Server inklusive Software und aller Inhalte für einen Kaufpreis von 1.400,00 EUR netto (Rechnung vom 4.5.2011, Anlage K 3, Bl. 15 d. A.) an die D1 GmbH.
Auf Aufforderung der C OHG (E-Mail vom 25.5.2011, Bl. 26 d. A.) gab die D1 GmbH die Server samt Software an die C OHG zurück. Ob Herr D die Adressen in seinem Bestand gelöscht hat, ist streitig.
Die Klägerin forderte den Beklagten erfolglos auf, die als Anlage K 11 (Bl. 49 d. A.) vorgelegte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.
Mit Abtretungsvereinbarung vom 8.3.2012 (Anlage K 14, Bl. 142 d. A.) übertrug der Geschäftsführer der Klägerin an die Klägerin "sämtliche Rechte aus der Vereinbarung mit Herrn K vom 30.09.2010 an den oben im Einzelnen aufgelisteten Domains einschließlich der Seiten und den darüber generierten Adressen, sowie die Namens-, Firmen- und Markenrechte".
Die Klägerin hat behauptet, die D1 GmbH habe den auf den Servern vorhandenen Adressbestand von rund einer Million Adressen jedenfalls in dem Zeitraum vom 4.5.2011 bis zum 25.5.2011 zur Versendung von Werbe-E-Mails für die Internetseite www.(...).de genutzt. Durch die Nutzung der Adressen durch die D1 GmbH hätten diese 2/3 ihres ursprünglichen Wertes verloren. Sie nimmt den Beklagten auf Zahlung von 11.900,00 EUR und Unterlassung der Verwendung der Adressen in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.07.2011 zu bezahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Adressen und Adressdaten, die ihm über die Internet-Domain ... (Aufzählung wird nicht dargestellt - die Red.) zur Kenntnis gelangten, an andere Personen oder sonstige Rechtspersönlichkeiten mit oder ohne Entgelt weiterzugeben, sowie die genannten Adressen und Adressdaten in irgend einer sonstigen Weise zu verwenden;
3. dem Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Nr. 2 die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,0 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen;
4. den Beklagten zu verurtei...