Leitsatz (amtlich)
1. Die unberechtigte Verweigerung einer Auskunft in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft bezüglich einer Frage, die im Wesentlichen den Vorstand betrifft, rechtfertigt es nicht, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.
2. Eine Aktiengesellschaft, die in einem Zivilprozess auf eine sehr hohe Summe in Anspruch genommen wird, verzichtet zu Recht auf die Bildung einer Rückstellung, wenn eine praktische, nachvollziehbare Betrachtung der Prozesschancen zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz gute Verteidigungsaussichten ergibt und überdies die Höhe des unbezifferten Schadens nicht vernünftig abschätzbar ist. Auch die Rückgriffsmöglichkeit auf Grund einer bestehenden Versicherung kann dazu führen, dass keine Rückstellung zu bilden ist. Dagegen ist es nicht zulässig, auf die Bilanzierung im Hinblick auf die geringe Bedeutung in Anbetracht der Bilanzsumme zu verzichten, da sich die Bedeutung bei einer Bank eher aus dem Vergleich mit dem Gewinn oder Verlust und der Frage, ob die Höhe der Dividendenzahlung beeinflusst werden kann, ergibt.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.03.2007; Aktenzeichen 3/5 O 97/04) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 13.3.2007 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG in Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.3.2007 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG in Frankfurt/M. teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Kläger begehren, die Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 2.6.2004 zu Tagesordnungspunkt 4 zur Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2003 für nichtig zu erklären.
Hinsichtlich der zu Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse verbleibt es bei dem Urteil der Kammer für Handelssachen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen haben die Kläger zu jeweils 45 % und die Beklagte zu 10 % zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet oder hinterlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Feststellung der Nichtigkeit bzw. die Anfechtung von Beschlüssen in der Hauptversammlung der Beklagten vom 2.6.2004. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zutreffende Darstellung im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils mit den nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen.
Für die Frage der Notwendigkeit einer Rückstellungsbildung sind die rechtlichen Auseinandersetzungen in Folge eines Interviews des damaligen Vorstandssprechers der Beklagten von Bedeutung. Deren Verlauf war im für den vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Zeitraum folgender:
Am 3.2.2002 gab der damalige Vorstandssprecher und spätere Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten B. ein Fernsehinterview, in dem er sich zur Kreditwürdigkeit der ...-Gruppe äußerte. Dieses Interview wurde am darauffolgenden Tag in Deutschland ausgestrahlt. Aus Sicht der ...-Gruppe entstanden dadurch enorme wirtschaftliche Schäden. Im Mai 2002 erhob ... Klage vor dem LG München I auf Feststellung, dass die Beklagte und B. verpflichtet sind, ihm (teilweise aus abgetretenem Recht) entstandene und noch entstehende Schäden, deren volles Ausmaß noch nicht absehbar ist, zu ersetzen. Der Streitwert wurde mit 100 Millionen EUR angegeben und festgesetzt. Die Klage hatte beim LG München I Erfolg (OLG Frankfurt vom 18.2.2003, NJW 2003, 1046 ff.). Die Berufung der ... Bank gegen dieses Urteil wurde durch Urteil des OLG München vom 10.12.2003 zurückgewiesen, während die Klage gegen B. abgewiesen wurde (WM 2004, 74 ff.). Außerdem hatte ... eine unbezifferte Schadensersatzklage vor dem United States District Court, Southern District of New York, erhoben (Bl. 1940 d.A.). In Anbetracht der Streitwerte wurde die zentrale Rechtsabteilung der Beklagten informiert, die ihrerseits Gespräche mit der Abschlussprüferin über die Einschätzung der Risiken führte. Das Audit Committee des Aufsichtsrats wurde Ende 2002 über den Fall informiert. Die Organe der Beklagten wurden über den Gang des Feststellungsverfahrens auf dem Laufenden gehalten. Nach bestrittenem Vortrag der Beklagten soll überdies eine D&O Versicherung bis zum üblichen Betrag von 500 Millionen EUR bestehen. Dieser Versicherungsschutz soll durch verschiedene Versicherungsunternehmen gewährleistet sein. Gegenüber dem fenderführenden Unternehmen, das über den Gang des Verfahrens auf dem Laufenden gehalten werde, soll im Oktober 2002 eine "Schadenmeldung" erfolgt sein soll (1933 ff. d.A.).
Das LG hat die Klage als teilweise begründet angesehen und zur Begründung insgesamt ausgeführt:
Ein Nichtigkeitsgrund i.S.d. § 241 AktG liege nicht vor. Nichtigkeit wäre auch dann nicht gegeben, wenn der Notar die Hauptversa...