Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Betreibers eines Online-Marktplatzes für Rechtsverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (Schwimmscheiben ohne CE-Kennzeichnung)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss, wenn er auf klare Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist, das konkrete Angebot unverzüglich sperren (sog. "notice and take down"-Prinzip).
2. Er muss darüber hinaus auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen der beanstandeten Händler-Accounts kommt. Ihn trifft - jedenfalls bei der Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften - die durch einen Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.
Normenkette
UWG § 8
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.10.2019; Aktenzeichen 2-6 O 77/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.10.2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es - bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer - zu unterlassen den von ihr betriebenen Internet-Marktplatz ebay.de gewerblichen Verkäufern trotz eines vorherigen Hinweises auf das Fehlen der nachfolgend bezeichneten Informationen für den Vertrieb von Schwimmscheiben zur Verfügung zu stellen, sofern auf den zu dem Angebot hinterlegten Lichtbildern zu erkennen ist, dass
a) auf den Schwimmscheiben nicht der Name und die Kontaktanschrift des Herstellers oder, sofern der Hersteller nicht im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, die Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers angegeben ist,
und/oder
b) auf den Schwimmscheiben oder deren Typenschild nicht sichtbar, lesbar und dauerhaft eine CE-Kennzeichnung angebracht ist, wenn dies geschieht wie in der nachfolgend wiedergegebenen Weise bei dem Angebot mit der ebay-Artikelnummer ... vom 24.8.2018, das vom selben Verkäufer herrührt wie das mit Schreiben vom 25.6.2018 beanstandete Angebot mit der ebay-Artikelnummer ...:
(Von der Darstellung der Abbildungen wird abgesehen - die Red.)
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.274,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.9.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben zu 1/3 die Klägerin und zu 2/3 die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe 110.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit der Beklagten für Verstöße gegen Produktsicherheitsvorschriften.
Die Klägerin stellt her und vertreibt Schwimmscheiben. Bei ihren mehrfarbigen Schwimmscheiben des Typs "X" handelt es sich um Oberarmschwimmhilfen, die aus permanent schwimmfähigem Material gefertigt und ergonomisch so gestaltet sind, dass durch den runden Armdurchlass und die darin befindliche, konzentrisch und in sechs Wellen verlaufende, elastische Innenmanschette eine optimale Arm- und Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Die Schwimmscheiben waren patentrechtlich geschützt. Der Schutz ist inzwischen abgelaufen. Die Schwimmscheiben werden mit der Marke der Klägerin, mit eingeprägten Sicherheitshinweisen, dem Namen und der vollständigen Anschrift der Klägerin sowie des CE-Kennzeichens versehen. Die Klägerin verkauft weltweit jährlich mehrere 100.000 Stück.
Die Beklagte betreibt in Deutschland den Internetmarktplatz ebay.de.
Ab Mitte Juni 2018 stellte die Klägerin fest, dass dort gewerbliche Drittverkäufer Schwimmscheiben/Schwimmhilfen chinesischer Herkunft anboten, die weder über eine Herstellerkennzeichnung noch eine CE Kennzeichnung noch eine EU- oder EG-Konformitätserklärung und Baumusterprüfbescheinigung verfügten. Sie beanstandete entsprechende Angebote gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 14.7., 25.6., 24.8., 30.8.2018 und 21.2.20019 (Anlagen K6, K8, K12, K15). Unter den mit Schreiben vom 24.8.2018 und 21.2.20019 beanstandeten Angeboten waren solche der Verkäufer "B" und "C". Die Klägerin führte hinsichtlich der mit Schreiben vom 21.2.2019 beanstandeten Schwimmscheiben einen Testkauf bei dem Verkäufer "C" durch (Anlage K16).
Die Klägerin ist der Auffassung, die fraglichen Angebote verstießen gegen Produktsicherheitsvorschriften und dürften von der Bekl...