Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung: notwendige Vorkehrungen vor Abwesenheit bei Beteiligung an gerichtlichem Verfahren
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 29.08.2017; Aktenzeichen 8 O 124/17) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29.08.2017 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des Betrages leistet, dessen Vollstreckung er betreibt.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 360.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Am 26.01.2017 ging bei dem Amtsgericht Stadt1 ein Antrag des Klägers auf Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten ein. Der Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs wurde betreffend die Hauptforderung bezeichnet als "Darlehensrückzahlung gem. vom 02.01.17" und mit 360.000,- EUR beziffert. Zudem begehrte der Kläger im Mahnverfahren vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.902,21 EUR und 8,- EUR Kosten einer Melderegisterauskunft. Das Amtsgericht Stadt1 erließ am 31.01.2017 antragsgemäß einen Mahnbescheid. Unter dem gleichen Datum sandte das Amtsgericht Stadt1 eine Kostenrechnung betreffend die Kosten des Mahnverfahrens an den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Ausweislich der entsprechenden Zustellungsurkunde wurde der Mahnbescheid am 03.02.2017 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten an den Beklagten zugestellt unter der Anschrift "Straße1, Stadt2".
Auf den Antrag des Klägers auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides vom 21.02.2017 erging am 28.04.2017 auf Grundlage des Mahnbescheids ein Vollstreckungsbescheid. An diesem Tag war der Zahlungseingang der angeforderten Gerichtskosten erfolgt (Bl. I d.A.). Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde der Vollstreckungsbescheid am 08.05.2017 unter der Anschrift "Straße2, Stadt2" einer erwachsenen Familienangehörigen des Beklagten, nämlich Frau A, übergeben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.06.2017 seines späteren Prozessbevollmächtigten, das am gleichen Tag bei dem Amtsgericht Stadt1 einging, ließ der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einlegen und beantragte zudem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er mittels eigener eidesstattlicher Versicherung an, er sei vom 06. bis 17.05.2017 in Land1 gewesen und nach der Rückreise nach Deutschland direkt zu seinem Cousin B nach Stadt3 gefahren und von dort erst am 24.05.2017 zurückgekehrt. Seine aktuelle Anschrift teilte der Beklagte im Berufungsverfahren nicht mit.
Der Beklagte hat behauptet, er habe erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von dem Vollstreckungsbescheid Kenntnis nehmen können. Er hat die Auffassung vertreten, für eine nur 18-tägige Abwesenheit habe er keine besonderen Vorkehrungen treffen müssen, zumal seit Zustellung des Mahnbescheids mehr als drei Monate vergangen gewesen seien und er daher nicht mehr mit Zustellungen habe rechnen müssen. Zudem sei der geltend gemachte Anspruch nicht hinreichend individualisiert, so dass weder Mahn- noch Vollstreckungsbescheid hätten ergehen dürfen.
Wegen der weiteren Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 31 d. A.) verwiesen.
Das Landgericht hat nach entsprechendem Hinweis vom 19.06.2017 (Bl. 13 f. d. A.) mit Urteil vom 29.08.2017 (Bl. 30 ff. d.A.) den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einspruchsfrist sei bei Eingang des Einspruchs abgelaufen gewesen. Einen Wiedereinsetzungsgrund hat das Landgericht nicht als gegeben angesehen, da nicht glaubhaft gemacht sei, dass der Beklagte ohne eigenes Verschulden an der Fristwahrung gehindert gewesen sei. Da der Beklagte aufgrund des vorhergehenden Mahnbescheids mit gerichtlichen Zustellungen habe rechnen müssen, habe er auch für den Fall der nur vorübergehenden Abwesenheit geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um einen fristgerechten Einspruch gegen den zu erwartenden Vollstreckungsbescheid einlegen zu können. Der Kläger habe das Verfahren zügig und ohne Unterbrechungen betrieben, die Zeitdauer sei nicht so lange, dass der Beklagte nicht mehr mit Zustellungen habe rechnen müssen. Der verfassungsrechtlich besonders geschützte "erste Zugang" zum Gericht sei angesichts des unbestritten zuvor zugestellten Mahnbescheids nicht mehr berührt. Die lückenhafte Bezeichnung der Hauptforderung sei vor dem Hintergrund des Rechtsverhältnisses der Parteien einer Auslegung zugänglich, da der Beklagte nicht behauptet habe, dass angesichts des nicht näher zugeordneten Datums mehrere Darlehensverträge in Betracht kämen.
Mit der Berufung rügt der ...