Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Kein Schadenersatz für Neuwagen mit Motor EA288
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 11.08.2020; Aktenzeichen 9 O 511/20) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 11.08.2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen des Kaufs eines Dieselfahrzeugs auf Schadenersatz in Anspruch. Am 06.04.2017 erwarb die Klägerin ein Fahrzeug vom Typ VW T6 Multivan Comfortline zu einem Kaufpreis von 55.782,83 EUR von einem Autohaus als Neuwagen. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Beklagten vom Typ EA 288 ausgestattet, Abgasnorm Euro 6. In Bezug auf den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp gab es einen verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes wegen einer Konformitätsabweichung.
Für den erstinstanzlichen Vortrag der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28.09.2020 verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Feststellungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Eine Prüfstanderkennung sei nicht schlüssig vorgetragen. Das Landgericht hat zudem näher ausgeführt, weshalb im konkreten Fall es sich weder bei dem Thermofenster noch bei einer etwaigen Manipulation des On-Board-Diagnose-Systems um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung handele. Auch weitere Anspruchsgrundlagen hat das Landgericht nicht als erfüllt angesehen.
Das Urteil wurde der Klägerin am 08.09.2020 zugestellt; am 28.09.2020 legte die Klägerin Berufung ein, die sie binnen verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 15.01.2020 begründete.
Die Klägerin stützt ihre Berufung insbesondere darauf, dass in der Software des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine Fahrkurvenerkennung implementiert und aktiv sei. Auf diesem Wege werde der Prüfstandsbetrieb erkannt und der Betrieb des SCR-Katalysators infolgedessen so manipuliert, dass das Fahrzeug nur wegen dieser Funktion die Grenzwerte auf dem Prüfstand einhalte. Aus einem Parallelverfahren ergebe sich, dass im Gegensatz zum Vortrag der Beklagten auch Fahrzeugtypen mit einem Produktionsbeginn (start of production, SOP) nach der Kalenderwoche 22/2016 mit einer aktiven Fahrkurvenerkennung ausgestattet seien (für die Einzelheiten dieses Vortrags wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 01.07.2021, Seite 7-8, Bl. 421-422 d. A.). Auch sei die Überschreitung der NEFZ-Grenzwerte im Realbetrieb derartig extrem, dass dies auf eine Manipulation hindeute (die Klägerin beruft sich auf Messungen der Deutschen Umwelthilfe, nach denen ein Audi A3 Sportback 2.0 TDI EU 6 im Realbetrieb über 700 mg/km NOx ausstoßen könne, ebenso viel wie ein Fahrzeug mit einem manipulierten Motor vom Typ EA 189). Aktuelle Fahrzeuge der Beklagten hielten hingegen laut Tests desselben Vereins im Realbetrieb die NEFZ-Grenzwerte ein. Die Beklagte habe sichergestellt, dass nur ein günstiger Modus bzw. eine günstige Kalibrierstrategie auf dem Prüfstand zum Einsatz komme, was dadurch belegt werde, dass ein Unternehmen von der Beklagten beauftragt worden sei, entsprechende Auswirkungen auf das Emissionsverhalten zu untersuchen (zu den Einzelheiten wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 06.09.2021, S. 5, Bl. 539 d. A.). Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hanau
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte in dem Fahrzeug Volkswagen T6 Multivan Comfortline mit der FIN: ...
a) unzulässige Abschalteinrichtungen
- in Gestalt einer Funktion, welche durch Bestimmung der Außentemperatur die Parameter der Abgasrückführung so verändert, dass die Abgasrückführung außerhalb eines Temperaturfensters von 17 °C bis 33 °C reduziert wird (sog. Thermofenster),
- in Gestalt des Ladeverhaltens der Autobatterie, die auf dem Prüfstand im Gegensatz zum Realbetrieb keiner Ladung unterliegt und
- in Gestalt einer Adblue-Eindosierung, die im Realbetrieb im Vergleich zum Prüfstand zurückgefahren ist, verbaut hat und hierdurch die Emissionswerte auf dem Rollenprüfstand reduziert werden,
b) ein nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes On-Board-Diagnosesystem einsetzt.
Hilfsweise für den Fall, dass der dieser Antrag unzulässig sein sollte:
aa) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei 55.752,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2020 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Üb...