Leitsatz (amtlich)
Unzulässigkeit identifizierender Bildberichterstattung im Zusammenhang mit Krawallen anlässlich G20-Gipfel
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; KUG §§ 22-23
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.11.2018; Aktenzeichen 2-03 O 68/18) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22.11.2018 - Az. 2-03 O 68/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- Euro und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 30.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche geltend wegen einer sie aus ihrer Sicht identifizierenden Bildberichterstattung im Zusammenhang mit den Ausschreitungen und Krawallen anlässlich des in Hamburg im Juli 2017 stattfindenden G20-Gipfels.
Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass das gegen die Klägerin eingeleitete Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es strafbewehrt zu unterlassen, die Klägerin im Zusammenhang mit der Suche nach den G20-Verbrechern durch Bekanntgabe ihres nachfolgend wiedergegebenen Bildnisses erkennbar zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie in dem Artikel "Zeugen gesucht! Bitte wenden Sie sich an die Polizei" aus der A-Zeitung vom XX.XX.2017 (K2), sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Bildberichterstattung der Beklagten greife in unzulässiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Die beiden streitgegenständlichen Bildnisse seien jedenfalls in ihrer Kombination geeignet, die Klägerin zumindest für ihren Bekanntenkreis zu identifizieren und machten sie damit hinreichend erkennbar. Sie werde einerseits von hinten in einer bestimmten Pose gezeigt, andererseits von vorne, wobei trotz der Verdeckung eines Großteils ihres Gesichts Auge, Nase, Mund und Frisur sowie Bekleidung der Klägerin zu erkennen seien. Von einer Erkennbarkeit der Klägerin gehe die Beklagte in ihrem Beitrag offenbar selbst aus, da ansonsten ein Fahndungsaufruf mit diesen Bildnissen keinen Sinn ergebe. Eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der sie zeigenden Bildnisse liege nicht vor. Diese stellten Bildnisse der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG dar. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie aller Umstände des konkreten Einzelfalls greife die Abbildung der Bildnisse jedoch in unzulässiger Weise in die berechtigten Interessen der Klägerin ein. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei zugunsten der Beklagten zunächst zu berücksichtigten, dass es sich bei den Vorfällen um den G20-Gipfel um ein Ereignis von besonderer politischer Bedeutung und gesellschaftlicher Relevanz handele und die Abbildung von Straftaten während der Krawalle vom Auftrag der Presse umfasst sei, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren. Ferner sei die Intention der Beklagten zu würdigen, mit ihrem Fahndungsaufruf in geeigneter Weise bei der Ermittlung der Straftäter helfen zu wollen, dass sich die Identifizierung von Personen bereits zum Zeitpunkt der angegriffenen Berichterstattung als schwierig dargestellt und die Polizei zu Hinweisen aufgerufen habe. Des Weiteren sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Klägerin lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen und auf den Bildnissen nicht für jedermann erkennbar sei. Andererseits gebiete eine identifizierende Berichterstattung besondere Zurückhaltung. Der Gesamtkontext und die gewählte Aufteilung und Aufmachung des Beitrags sowie die einleitende Frage, "Wer kennt die Personen auf diesen Bildern? Sie sind dringend verdächtigt, schwere Straftaten beim G20-Gipfel begangen zu haben", lasse für den Durchschnittsleser auch nicht erkennen, dass der Klägerin allein der Diebstahl der in der Bildunterschrift aufgeführten Gegenstände vorgeworfen werde. So würden die auf den Bildnissen abgebildeten Personen als "Verbrecher" bezeichnet und jedenfalls in einen Zusammenhang gestellt mit den in dem Artikel beschriebenen schweren Straftaten. Der Leser entnehme daher den Bildnissen im Kontext mit der Berichterstattung den - auch nach dem Vortrag der Beklagten - nicht begründeten Vorwurf gegenüber der Klägerin, sich an den Sachbeschädigungen und/oder Gewalttaten jedenfalls anlässlich der Plünderung dieses Drogeriemarktes beteiligt zu haben.
Selbst wenn der Durchschnittsleser die angegriffene Berichterstattung lediglich dahin verstehe, dass die Klägerin eine sich ihr auftuende Gelegenheit zur Erbeutung ...