Leitsatz (amtlich)
Ein Internet-Access-Provider ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Namen und die Anschrift eines Internetbenutzers mitzuteilen, der im Internet Musikdateien zum Herunterladen anbietet und dadurch Urheber- oder sonstige Rechte Dritter verletzt.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.08.2004; Aktenzeichen 2-3 O 297/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt/M. - 3. Zivilkammer - v. 5.8.2004 abgeändert.
Der Beschluss - einstweilige Verfügung - v. 7.6.2004 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) nimmt die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) im Wege der einstweiligen Verfügung auf Auskunft gem. § 101a Abs. 1 und 3 UrhG in Anspruch. Die Klägerin ist ein großes deutsches Tonträgerunternehmen. Die Beklagte betätigt sich als Internetprovider.
Die Beklagte stellt einen ihrer Breitband-Hochgeschwindigkeits-Internetzugänge einem Nutzer zur Verfügung, der einen ftp-Server unter der Internetadresse "..." betreibt und dort mp3-Musikdateien zum Download zur Verfügung stellt, ohne dazu berechtigt zu sein.
Der Download einer solchen Musikdatei erfolgt dergestalt, dass zunächst zwischen dem ftp-Server und dem Internet eine Verbindung hergestellt wird, indem der Kunde sich ggü. der Beklagten durch seine Benutzerkennung identifiziert und ihm dann durch die Beklagte automatisch eine individuelle Kennung, die sog. IP-Nummer, zugeteilt wird. Die Verbindung zwischen dem ftp-Server und einem Suchenden erfolgt dergestalt, dass der Suchende durch Eingabe der entsprechenden Verbindungsdaten eine unmittelbare Verbindung zwischen dem ftp-Server und seinem Computer herstellt, um auf die auf dem ftp-Server abgespeicherten Daten zugreifen und diese herunterladen zu können. Eine Zwischenspeicherung durch die Beklagte findet nicht statt.
Die Klägerin, die behauptet, auf dem ftp-Server würden auch solche Musiktitel zum Download bereitgestellt, an denen sie die Tonträgerherstellerrechte besitze, hat mit Schreiben v. 13.5.2004 Auskunft über die Identität des Nutzers gefordert. Die Beklagte hat eine Auskunftserteilung mit Schreiben v. 21.5.2004 unter Hinweis auf das bestehende Datenschutzrecht abgelehnt.
Das LG hat der Beklagten durch einstweilige Verfügung v. 7.6.2004 aufgegeben, der Klägerin Name und Anschrift des unbekannten Nutzers mitzuteilen. Auf den Widerspruch der Beklagten hat es den Beschluss mit Urt. v. 5.8.2004 im Wesentlichen bestätigt. Es hat gemeint, § 101a UrhG sei auf Auskunftsansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen durch unkörperliche Vervielfältigungsstücke wie mp3-Dateien jedenfalls entsprechend anwendbar. Die Beklagte hafte als Störer, weil sie einen adäquat-kausalen Beitrag zu der Verletzungshandlung, die in dem Angebot zum Download der Musiktitel liege, geleistet habe. Die für Internetprovider durch das Teledienstegesetz (TDG) in bestimmten Situationen eröffneten Haftungsprivilegien stünden dem Auskunftsanspruch nicht entgegen. Wegen der weiter gehenden Einzelheiten wird auf das Urt. v. 5.8.2004 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten.
Sie hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schon für unzulässig, weil eine missbräuchliche Prozessführungsbefugnis aufgrund Mehrfachverfolgung vorliege. Im Übrigen fehle es sowohl an einem Verfügungsgrund als auch an einem Verfügungsanspruch. Die Beklagte bestreitet die Rechteinhaberschaft der Klägerin. Die vorgelegte eidesstattliche Versicherung ihres Justitiars sei nicht geeignet, die erforderliche Rechtekette glaubhaft zu machen, weil sie sich in einer bloßen Aufzählung der angeblich erworbenen Rechte erschöpfe. Die Beklagte bestreitet auch, dass es sich bei den in Rede stehenden, zum Download angebotenen Dateien um die streitgegenständlichen Musiktitel handele.
§ 101a UrhG sei, so meint die Beklagte, weder direkt noch analog anwendbar.
Sie sei als Accessprovider kein Rechteverletzer i.S.v. § 101a UrhG. Die Haftungsprivilegierung gem. § 9 TDG schließe einen Anspruch gem. § 101a UrhG gegen sie im Übrigen von vornherein aus. Die Erzwingung der Auskunftserteilung sei unverhältnismäßig. Der begehrten Auskunftserteilung stünden im Übrigen das Fernmeldegeheimnis sowie datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegen.
Die Beklagte beantragt:
Das Urteil des LG Frankfurt/M. v. 5.8.2004 sowie die einstweilige Verfügung v. 7.6.2004 (Az. 2/3 O 297/04) werden aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung v. 3.6.2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Beklagte als Verletzerin i.S.v. § 101a UrhG für zur Auskunftserteilung verpflichtet. § 101a UrhG sei auf unkörperliche Vervielfältigungsstücke direkt, jedenfalls aber entsprechend anwendbar. Für den Auskunftsanspruch sei weder Verschulden noch Rechtswidrigkeit erforderlich. Ein Diensteanbiet...